Klimapolitik: Es geht auch einfacher

Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Aber er muss nicht so teuer sein, wie es die politischen Diskussionen vermuten lassen. Auch ließe sich Klimaschutz ohne die Aufgeregtheit unserer Zeit realisieren.

Umfragen zeigen es immer wieder: Eine der größten Sorgen der Deutschen ist der Klimawandel. Inzwischen nimmt das Thema einen so großen Stellenwert ein, dass es einen regelrechten Überbietungswettbewerb gibt, Deutschland so schnell es geht zu dekarbonisieren. Bei den diskutierten Verboten und Auflagen geraten allerdings die Kosten zunehmend aus dem Blick. Effizienz und Effektivität leiden. Die Klimapolitik wird verschwenderisch.

Spätestens die Diskussion über ein mögliches Aus für neue Gas- und Ölheizungen hat vielen Bürgern die Augen geöffnet: Der ökologische Umbau der Gesellschaft könnte sie finanziell überfordern. Sanierungszwang, Solardachpflicht – die Kosten, die der Einzelne ggf. für Klimaschutzmaßnahmen aufbringen müsste, könnten ganze Lebenspläne durcheinanderbringen. Der gesellschaftliche Frieden ist in Gefahr. Doch Klimaschutz gäbe es auch deutlich günstiger. Was wäre aus ökonomischer Sicht sinnvoll?

Das Grundproblem

Die Umwelt stand im Produktionsprozess oft kostenlos zur Verfügung. Obwohl sie nicht unerschöpflich, sondern knapp ist, hatte sie keinen Preis. Dies führte zu einer Fehlsteuerung, denn in einer Marktwirtschaft werden die wirtschaftlichen Prozesse durch den Preismechanismus gelenkt (Adam Smith sprach von der „unsichtbaren Hand“): Was knapp ist, ist teuer – und was teuer ist, wird pfleglich behandelt. So werden Rohstoffe deshalb als „Bodenschätze“ bezeichnet, weil sie wertvoll sind und einen Preis haben. Mit kostenlosen Dingen wird hingegen achtlos umgegangen. Wenn also wertvolle Umweltgüter keinen Preis haben, wird ihr wahrer Wert missachtet.

Lange Zeit galt die Vermutung oder Überzeugung, dass Luft und Wasser ausreichend vorhanden sind, um die im wirtschaftlichen Prozess entstandenen Schadstoffe ohne größere Beeinträchtigungen aufnehmen zu können. Doch wie in der Medizin gilt: Die Dosis macht das Gift. Mit zunehmender Umweltbelastung – und mit steigendem Wohlstand – ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit ökologisch-nachhaltigen Handelns immer mehr geschärft worden.

Die Lösung des Problems

Umweltschäden und deren Folgekosten spielten im wirtschaftlichen Kalkül aus den genannten Gründen lange Zeit keine Rolle. Es gab eine weit verbreitete Blindheit für den Wert der intakten Natur. Der englische Ökonom Arthur Cecil Pigou schlug deshalb bereits vor rund 100 Jahren vor, die sozialen bzw. ökologischen Kosten der Produktion oder des Konsums durch eine Steuer zu berücksichtigen. Denn die Umwelt braucht einen Preis. Die Wirtschaftsakteure richten ihr Handeln dann an diesen ökologisch ehrlicheren Preisen aus. Umwelt- bzw. klimaschädliches Verhalten wird dadurch tendenziell reduziert. Unternehmen erhalten Anreize, in die Erforschung und Entwicklung umwelt- und klimafreundlicher Produktion zu investieren, weil sie dadurch langfristig Geld einsparen können – nämlich die Zahlung der Umweltsteuer.

Umweltsteuern und Emissionszertifikate in der Praxis

Es hat lange gedauert, bis die Idee von Pigou in die Praxis umgesetzt wurde. Deutschland hat im Jahr 1999 die ökologische Steuerreform eingeführt. Die Folge war u.a. eine höhere Mineralölsteuer. Aus klimapolitischer Perspektive gibt es ein noch besseres Instrument: Emissionszertifikate. Hier wird eine konkrete Höchstmenge an CO2-Emissionen festgelegt, die aus klimapolitischer Sicht als noch akzeptabel erscheint. Damit gibt es eine feste Obergrenze, die auch nicht durch hohe Zahlungsbereitschaften der Wirtschaftsakteure nach oben verschoben werden kann. Dies ist ein sehr harter staatlicher Eingriff in die Wirtschaft, der in der aufgeregten Klimaschutzdiskussion nicht hinreichend zur Sprache kommt.

Wer CO2-Emissionen nicht vermeiden kann, muss Emissionszertifikate erwerben – also Zertifikate, die zur Emission einer bestimmten Menge CO2 berechtigen. Der Handel dieser Zertifikate führt dazu, dass CO2-Emissionen dort eingespart werden, wo die Einsparung besonders leichtfällt bzw. dort, wo die Vermeidung von CO2-Emissionen zu geringen Kosten möglich ist. Oder andersherum: Die Zertifikate landen letztlich bei den Unternehmen, die sie wirklich dringend benötigen, weil sie im Produktionsprozess CO2-Emissionen nicht vermeiden können, und die deshalb eine hohe Zahlungsbereitschaft haben. Die Unternehmen, denen es leichtfällt, CO2-Emissionen zu vermeiden, können Geld damit verdienen, ihre Emissionszertifikate an die Unternehmen zu verkaufen, für die CO2-Vermeidung sehr teuer ist.

Die Informationen darüber, wo die Vermeidungskosten am niedrigsten sind, sind dezentral verteilt. Der Staat hat diese Informationen nicht. Jeder Akteur, der wirtschaftlich denkt, wird sich überlegen, was günstiger ist: den Preis für ein Emissionszertifikat zu bezahlen oder auf die Emission zu verzichten. Fällt es den Wirtschaftsakteuren insgesamt leicht, CO2-Emissonen zu vermeiden, dann ist das Ergebnis ein niedriger Zertifikate-Preis, weil die Nachfrage nach Emissionszertifikaten gering ist. Ist es aber schwierig bzw. kostspielig, die Emissionen zu vermeiden, dann ist die Nachfrage nach Zertifikaten hoch und ihr Preis steigt. Entscheidend ist: Auf die Menge der Gesamtemissionen hat das alles keinen Einfluss. Die Menge ist politisch begrenzt. Der Preis passt sich entsprechend an. Handelbare Emissionszertifikate sind deshalb ein kosteneffizientes Verfahren, um klimaschädliche CO2-Emissionen auf ein politisch vorgegebenes, verträgliches Maß zu reduzieren.

Die Europäische Union hat bereits im Jahr 2005 das Europäische Emissionshandelssystem (EU-EHS) installiert, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Das EU-EHS umfasst 30 Länder, nämlich alle 27 EU-Länder sowie Norwegen, Island und Liechtenstein. Insgesamt werden dadurch die Emissionen von rund 10.000 energieintensiven Anlagen erfasst, vor allem aus der Stromerzeugungs- und Verarbeitenden Industrie. Damit werden rund 36 % der Treibhausgasemissionen in der EU abgedeckt. Auch der innereuropäische Luftverkehr ist seit 2012 in das EU-EHS einbezogen. Aktuell liegt der Preis für ein Zertifikat, das zur Emission von einer Tonne CO2 berechtigt, bei knapp 90 Euro. In Europa sind die Emissionen der vom Emissionshandel erfassten Sektoren seit 2005 um 36 % gesunken. In Deutschland gibt es seit 2021 zudem den nationalen Emissionsrechtehandel für die Sektoren Wärme und Verkehr.

Ablasshandel?

Manche Gegner der Zertifikate-Lösung sprechen von einem Ablasshandel. Doch das ist nicht sachgerecht. Es geht bei der Bepreisung von CO2-Emissionen nicht darum, sich von seinen „Sünden“ freikaufen zu können (solange ein Leben frei von CO2-Emissionen nicht möglich ist, handelt es sich sowieso nicht um Sünden). Mit Umweltsteuern oder Emissionszertifikaten wird vielmehr bei allen Unternehmen und Bürgern der CO2-Fußabdruck fühlbar gemacht. Und mit dem CO2-Preis wird allen Akteuren ein finanzieller Anreiz gegeben, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Emissionszertifikate sind primär ein Lenkungs-, aber nicht ein Einnahmeinstrument.

Wird Klimaschutz durch die Zertifikate-Lösung zu teuer?

Eine kosteneffiziente Klimapolitik ist nicht umsonst. Aber sie ist deutlich billiger, als das Klima durch detaillierte Auflagen und Verbote schützen zu wollen. Manche Kritiker meinen hingegen, auf Zertifikate allein zu setzen, sei zu teuer. Der Preis für die Emissionszertifikate würde durch die Decke gehen, wenn ergänzend nicht auch Verbote als klimapolitisches Instrument eingesetzt würden.

Doch das stimmt eben gerade nicht. Der Preis, der beim Emissionshandel entsteht, macht die Kosten der Klimaschutzpolitik lediglich transparent. Billiger geht es nicht, auch nicht mit Verboten. Wer glaubt, dass Verbote kostenlos oder zumindest billiger zu haben seien, hat vermutlich noch nie etwas von Opportunitätskosten gehört. Sie entstehen durch entgangenen Nutzen. Würde man zum Beispiel das Autofahren verbieten, dann würden all die Menschen dadurch keine direkten finanziellen Kosten haben, die nicht auf teurere Alternativen ausweichen müssten. Sie würden sogar Geld sparen, weil sie kein Auto mehr bräuchten und kein Benzin mehr kaufen müssten. Aber ihnen würde der gesamte Nutzen entgehen, der ihnen durch das Autofahren entsteht. Und diesen Nutzen bewerten die Menschen offenkundig höher als die Kosten des Autofahrens, denn sonst hätten sie sich aus Kostengründen ja längst gegen das Autofahren entschieden. Die Tatsache, dass sie sich trotz bereits massiv gestiegener Treibstoffpreise kaum vom Autofahren abhalten lassen, zeigt, wie überragend wichtig die Individualmobilität für viele Bürger ist. Es wäre also sinnvoller, CO2-Emissionen an anderer Stelle einzusparen, als das Autofahren krampfhaft zurückdrängen zu wollen.

Woran scheitert die effiziente Klimapolitik?

Marktwirtschaftliche Klimapolitik verläuft weitgehend geräuschlos. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass der europäische Emissionshandel in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Politisch ist lediglich die Obergrenze für CO2-Emissionen festzulegen. Diese Entscheidung ist konfliktträchtig. Alles Weitere ergibt sich aber von selbst. Die Bürger beziehen die CO2-Emissionen in ihr Entscheidungskalkül ein, ohne es im Regelfall überhaupt zu bemerken. Denn bei einem breit angelegten Emissionshandelssystem sind die Kosten der CO2-Emissionen bereits in den Produktpreisen enthalten. Die Preise sind ökologisch „ehrlich“.

Das System ist bestechend einfach und effizient. Es ist mehr als erstaunlich, warum die Gesellschaft kleinteilig und moralisch aufgeheizt über Klimaschutzmaßnahmen diskutiert, wenn es doch ein einfaches und effizientes System gibt. Den Emissionshandel sektoral und international auszubauen wäre die effizienteste und günstigste Klimapolitik. Doch genau in dieser Einfachheit liegt wohl auch das Problem. Inzwischen gibt es viele Akteure, die in Sachen Klimaschutz ganz unterschiedliche eigene Interessen verfolgen. Politiker können mit vielen Einzelmaßnahmen (Vorschriften, Verbote) Tatkraft signalisieren – auch wenn es die Bürger teuer zu stehen kommt. Manche Unternehmen erhoffen sich im Entscheidungswirrwarr wohl Subventionen für den ökologischen Umbau. Und in der Gesellschaft wäre manchen Aktivistengruppen das „Geschäftsmodell“ entzogen, wenn der ökologische Umbau nahezu geräuschlos gelingt.

Auch dürfte vielen Bürgern die volkswirtschaftliche Funktionsweise des Emissionshandels nicht bekannt sein. Zudem gibt es in medial sehr präsenten Gruppen starke Vorbehalte gegen die Marktwirtschaft generell – und damit auch gegen marktwirtschaftliche Instrumente beim Kampf gegen den Klimawandel.

Schlussfolgerungen

  • Der Vorwurf vieler Aktivisten, klimapolitisch würde nichts geschehen, ist falsch. Mit Umweltsteuern und vor allem mit dem weltweit größten Emissionsrechtehandel werden in der EU und in Deutschland schon lange Instrumente eingesetzt, die zur Senkung der Treibhausgasemissionen beitragen.
  • Der Emissionshandel sorgt dafür, dass die niedrig hängenden Früchte zuerst gepflückt werden. Da es für das Weltklima egal ist, wo die Emissionen vermieden werden, sollten alle Anstrengungen auf eine Ausweitung des Emissionshandels gelenkt werden. Statt in Deutschland (und Europa) mit außerordentlichem Aufwand sämtliche Netto-Emissionen vermeiden zu wollen, wäre es wohl deutlich günstiger, zunächst die tiefer hängenden Früchte auch in anderen Teilen der Welt zu pflücken. Dafür könnten ärmere Länder finanziell unterstützt werden. Auch Grenzausgleichsabgaben auf Produkte, die im Ausland besonders klimaschädlich hergestellt werden, könnten einen Beitrag dazu leisten, dass andere Länder mehr für den Kilmaschutz tun.
  • Für eine kosteneffiziente Klimapolitik ist nur eine einzige politische Entscheidung nötig: Wie hoch dürfen die CO2-Emissionen – bis zum Erreichen der Netto-Null – künftig noch sein? CO2-Emissionen werden durch die handelbaren Emissionsrechte zu einem knappen Gut. Der Umgang mit knappen Gütern wird nachweislich am besten vom Markt geregelt. Damit würde Klimaschutz allerdings zu einer relativ geräuschlosen Veranstaltung. Die Preise für CO2-Emissionen werden sukzessive steigen und somit auch die Preise für besonders klimaschädliche Waren und Dienstleistungen. Die Bürger müssen immer mal wieder ihr Verhalten anpassen und sie würden sicherlich über steigende Preise klagen. Doch das ist wahrlich nichts Neues. Die Marktwirtschaft sorgt allerdings dafür, dass das Klagen auf das geringstmögliche Maß reduziert wird. Wahrscheinlich würde auch das gesellschaftliche Klima wieder etwas entgiftet, wenn der Klimaschutz ausschließlich über Preise gesteuert wird und nicht mehr durch zum Teil erratische Vorschläge regulierungsfreudiger Politiker, Aktivisten, Freunde oder Nachbarn.
  • Planwirtschaftliche Logik ist fehl am Platz. Nicht jeder Bürger, nicht jeder Wirtschaftssektor und nicht jedes Land muss den gleichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Stattdessen müssen die Emissionen dort vermieden werden, wo es ohne großen Aufwand möglich ist. Erfreulicherweise beabsichtigt die Regierungskoalition nun bei den Sektorzielen umzusteuern.
  • Der Umweltökonom Joachim Weimann sieht es als Kardinalfehler, Klimaschutz insbesondere als nationale Aufgabe zu verstehen. Auch der Sachverständigenrat („Wirtschaftsweise“) hatte 2019 in einem Sondergutachten dafür plädiert, den Zertifikatehandel auszuweiten. So sollten die Sektoren Verkehr und Gebäude bis 2030 in das EU-EHS einbezogen werden. Voraussichtlich 2027 wird nun tatsächlich im Rahmen des Emissionshandels II die Bepreisung der Emissionen in den Sektoren Wärme und Verkehr erfolgen. Zudem empfahl der Sachverständigenrat, das Vorgehen global zu koordinieren, weil der Klimawandel ein globales Phänomen ist und Treibhausgase nicht an nationalen oder kontinentalen Grenzen haltmachen. Von wissenschaftlicher Seite ist damit klar: Klimaschutz ist am günstigsten mit dem marktwirtschaftlichen Instrument der handelbaren Emissionszertifikate zu haben.

Autor

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