Da die radikale geldpolitische Wende des Jahres 2022 ihre volle Wirkung erst im Verlaufe des Jahres 2023 entfalten wird, kann die Weltwirtschaft zunächst weiter ins Stottern geraten. Dennoch überwiegt beim Blick auf 2023 insgesamt die Zuversicht. Europa hat seine Gasspeicher zum Beginn der Heizsaison fast bis zum Rand füllen können. Auch das schwer angeschlagene Verbrauchervertrauen hat sich zuletzt wieder etwas erholt. In Europa mehren sich die Anzeichen für einen neuen Aufschwung nach der Winterrezession.
Anders als Europa leiden die USA vor allem unter einer hausgemachten Inflation. Mit ihrer späten, aber umso energischeren Zinswende wird die Fed die Nachfrage voraussichtlich so dämpfen, dass die US-Konjunktur Anfang 2023 stagniert und das Land danach bis zum Herbst 2023 in eine milde Rezession fällt.
Allerdings hat die Inflation in den USA ihren Höhepunkt offenbar überschritten. Zunächst wird die US-Fed ihren Leitzins im Frühjahr wohl auf 5,25 % anheben. Aber bei geringerer Inflation und höherer Arbeitslosigkeit kann sie dann ab Herbst 2023 die Zinsen wieder langsam senken und einen neuen Aufschwung im Jahr 2024 einleiten.
Auch in Europa zeichnet sich ab, dass der Preisdruck spätestens ab März wieder deutlich zurückgehen kann. Deshalb braucht die EZB vermutlich nicht über einen Leitzins von 3,5 % hinauszugehen, den sie dann ab Frühjahr 2024 wieder auf 3 % absenken kann.
China hat begonnen, seine rigide Null-Covid-Politik zu lockern. Wenn im Frühjahr 2023 die saisonalen Ansteckungsrisiken wieder abnehmen, kann sich die chinesische Konjunktur stabilisieren, ohne an die hohen Wachstumsraten früherer Zeiten anzuknüpfen.
Finanzmärkte setzen auf die Zukunft. Einen Abschwung in den USA und eine Winterrezession in Europa haben sie offenbar bereits eingepreist. Nach dem Einbruch der Märkte im ersten Halbjahr 2022 sehen wir gute Chancen, dass die Aktienmärkte sich 2023 trotz einiger Rückschläge weiter erholen können. Der Ausblick auf eine weniger straffe Geldpolitik der US-Notenbank ab Herbst 2023 und auf einen Wiederaufschwung in Europa nach dem Winter könnte insgesamt für ein positives Umfeld sorgen.
In unsicheren Zeiten suchen Anleger sichere Häfen wie den US-Dollar. Treiben in 2023 keine neuen Katastrophen die Anleger in den US-Dollar, könnte die Aussicht auf einen abnehmenden Zinsabstand zwischen der US-Fed und der EZB dafür sorgen, dass der Euro sich bis Ende 2023 auf 1,15 zum US-Dollar erholt.
Die Zeiten bleiben unsicher. Sollte Russland seinen Krieg ausweiten oder sollte China Taiwan angreifen, würde dies neue Schocks auslösen. Und sollte eine dauerhaft hohe Inflation die Fed zwingen, noch härter auf die Bremse zu treten, würde dies die Weltwirtschaft und -märkte treffen. Denkbar sind diese Risiken, wahrscheinlich sind sie nicht.