Gesamtwirtschaftliches Umfeld
Zunächst revidierte das Statistische Bundesamt das Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) abwärts. Statt wie vorab gemeldet zu stagnieren, ging das BIP im ersten Quartal um 0,3 % gegenüber dem Vorquartal zurück. Im vorausgegangenen Quartal (Q4/2022) war die Wirtschaft bereits um 0,5 % geschrumpft, sodass Deutschland mit zwei Minusquartalen in Folge in eine technische Rezession gerutscht ist. Später wurde auch das BIP für die Eurozone abwärts revidiert: Im ersten Quartal ist die Eurozonen-Wirtschaft nun doch nicht wie zunächst gemeldet um 0,1 % gewachsen, sondern um 0,1 % geschrumpft. Somit ist auch die Eurozone in eine technische Rezession gerutscht, denn das vierte Quartal 2022 hatte ebenfalls ein negatives Vorzeichen. Aufgrund der Abwärtskorrekturen haben wir unsere BIP-Prognose für 2023 von 0,5 % auf 0,3 % gesenkt.
Für die Europäische Zentralbank haben sich dadurch die Parameter verändert. Die eingetrübte Konjunktur reduzieren für die EZB den Druck, ihre Geldpolitik noch deutlich weiter zu straffen. Nach der gestrigen Zinserhöhung sieht es danach aus, dass es in diesem Straffungszyklus noch mindestens einen Zinsschritt um 25 Basispunkte geben wird.
In den USA hatte es bereits nach dem Ende des Zinserhöhungszyklus ausgesehen. Tatsächlich hat die amerikanische Notenbank Fed vorgestern den Leitzins unverändert gelassen, nachdem sie ihn in allen zehn vorausgegangenen Sitzungen angehoben hatte. Doch angesichts des immer noch sehr starken US-Arbeitsmarktes zeichnete sich schon ab, dass die Fed im Juni lediglich pausiert, aber noch nicht am Ende der Zinserhöhungen angekommen ist. Die Wortwahl der Fed und ihres Präsidenten Jerome Powell hat diesen Eindruck nun noch bestärkt. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar gestiegen, dass es nicht nur einen, sondern sogar zwei Zinsschritte à 25 Basispunkten geben wird. Unterdessen sind die Inflationsraten sowohl in den USA als auch in der Eurozone deutlich gefallen. Da die Geldpolitik zeitverzögert wirkt, werden auch die bereits erfolgten Zinserhöhungen weiter zum Rückgang der Inflation beitragen.
Kurzfristig
Die Ungewissheiten über den Ausgang des US-Schuldenstreits sind vom Tisch, sodass sich der Fokus wieder auf die üblichen Einflussfaktoren richtet. Die Fed und die EZB haben ihre Zinsentscheidungen und Ausblicke geliefert. Beide Zentralbanken haben auf die Bedeutung der weiteren Konjunktur- und Preisdaten hingewiesen. Da diese Daten Aufschluss über den weiteren Kurs der Geldpolitik versprechen, können sie kurzfristig für einige Bewegung sorgen.
Aus charttechnischer Perspektive ist die EUR/USD-Korrektur abgeschlossen, sodass der Euro sich von den Abverkäufen wieder erholt hat. Nach dem gestrigen EZB-Zinsentscheid und den US-Zahlen konnte der EUR wichtige Widerstände überwinden und hat bis zum jüngsten Kurs-Hoch bei 1,1095 kaum relevante Widerstände. Auf der Unterseite haben sich bei 1,0805 (100-Tage Linie), 1,0630 (3-Monatstief) und 1,0530 (200-Tage Linie) größere Unterstützungen gebildet.
Mittelfristig
Mittelfristig hängt viel vom weiteren Vorgehen der Notenbanken ab. Wird die US-Fed ihren „hawkischen“ Tönen Taten folgen lassen und den Leitzins noch mehr als nur einmal um 25 Basispunkte anheben? Oder entwickeln sich die ma-kroökonomischen Daten so, dass ein weiterer Zinsschritt ausreicht? Bei der EZB ist es nach der gestrigen Sitzung ebenfalls nicht ausgemacht, dass es nur noch einen Zinsschritt gibt. Ein zweiter Schritt ist durchaus möglich. Allerdings glauben wir, dass die EZB bei ihrem kurzfristigen Konjunkturausblick noch zu optimistisch ist. Wenn die Konjunktur schwächer läuft, als die EZB erwartet – was wir für wahrscheinlich halten –, dann wird der Preisauftrieb von selbst weiter nachlassen und der EZB dadurch Arbeit abnehmen.
Langfristig
Auf längere Sicht bleiben wir für den Euro moderat optimistisch. Allerdings erschwert die Konjunkturschwäche in der Eurozone die Kurserholung. Wir passen unsere Währungsprognose deshalb leicht nach unten an und erwarten zum Jahresende nur noch einen EUR/USD-Wechselkurs bei 1,12 (bisher 1,15). Für Ende 2024 sehen wir einen weiteren Anstieg auf etwa 1,18 US-Dollar je Euro.