Herr Meinschien, Sie sind Berater im Wealth Management bei Berenberg in Hamburg und Berlin und leiten ein Team mit Schwerpunkt auf junge Kunden. Wie teilen Sie ihre jungen Kunden ein? In Gründer und Unternehmensnachfolger?
Oliver Meinschien: Die Gründergeneration, die heute an den Start geht, hat ja oftmals schon einen unternehmerischen Hintergrund. Es gibt wenige Gründer, die noch nie etwas von Unternehmertum gehört haben. Viele bekommen eine Art Anschubfinanzierung von den Eltern. Die Gründer von heute sind somit oftmals Unternehmerkinder, die sich bewusst vom Familienunternehmen loslösen.
Ist ein Großteil der Eltern bereits Kunde bei ihrer Bank?
Meinschien: Nein, das nicht. Beim Unternehmertum reden wir nicht immer gleich von einem Milliarden-Unternehmen, sondern eben auch vom kleineren Mittelständler.
Und was können Sie für die jungen Gründer tun?
Meinschien: Wenn junge Gründer ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut haben, ist das Vermögen in der Regel im eigenen Unternehmen gebunden. Vor einem erfolgreichen Exit besteht deshalb gar nicht so ein hoher Anlagebedarf. Wichtiger ist die Vernetzung in die Bank. Wo können wir auf der Corporate-Seite, wo im Investmentbanking helfen? Das heißt, ich spreche viel mehr – insbesondere, wenn wir über Scale-ups sprechen – mit anderen Abteilungen im Haus und unterstützen mit unserem Netzwerk, als dass ich den Kunden gleich mit einer Anlageberatung helfen kann.
Wir können zu klassischen Unternehmen vernetzen, weil wir Family Offices, aber auch Unternehmer betreuen. Um das Wachstum mancher Wachstumsunternehmen noch weiter zu beschleunigen, können wir aber auch den Kontakt zur Investmentbank herstellen.
Oliver Meinschien
Im Wealth Management machen wir natürlich eine Strategische Asset Allocation, kümmern uns um die Vermögensanlage und alle andere Themen der Vermögensallokation.
Eine Investmentbank, die für viel Gesprächsstoff gesorgt hat in der Historie – und auch kritische Stimmen …
Meinschien: In Summe bleibt aber wahnsinnig viel Positives für uns hängen, weil wir ein Haus sind, das klein genug ist, dass man miteinander spricht. Aber groß genug, dass man die großen Börsengänge mit an den Start bringen kann. Und das ist für viele Unternehmen interessant, die planen, in einigen Jahren in die IPO-Phase hineinzugehen. Wir unterscheiden hier aber klar zwischen Start-ups und Scale-ups.
Warum ist diese Abgrenzung wichtig?
Meinschien: Die typische Transformation eines Start-ups beginnt bei der Gründung, eventuell mit einer staatlich geförderten Anschubfinanzierung, dann kommen Familie und Freunde rein, und dann kommen womöglich erste VC-Fonds dazu. In der Seed-Phase können wir vielen Start-ups kaum helfen. Wir können keine Gründungsfinanzierung geben, weil es nicht unser Business-Case ist. Bei Berenberg sprechen wir Start-ups oder Scale-ups in späteren Phasen an, in denen sie für die meisten Investmentbanken aber noch nicht interessant sind. Wenn zu früh eine Investmentbank an Bord ist, schrecken Venture Capital Fonds eher mal zurück. Eine Investmentbank hat oftmals den IPO-Case auf dem Schirm – also ein ganz anderes Ziel, das ein VC-Fonds verfolgt, der möglichst schnell skalieren will.
Wann genau wird die Zusammenarbeit mit einem jungen Unternehmen beziehungsweise jungen Unternehmern für das Wealth Management interessant?
Meinschien:Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Unternehmen, die relativ schnell ein hohes Fundraising betreiben. Dieses Geld kommt in der Regel nicht von deutschen VC-Fonds, die in Euro zahlen, sondern von Venture-Capital-Gebern aus den USA und Asien. Die überweisen die Summe nicht in Euro, sondern in Dollar. Wenn das Start-up zu dem Zeitpunkt noch kein vernünftiges operatives Geschäft aufgebaut hat – heißt eine Verbindung zu einer Bank, die professionell FX-Geschäfte, Liquiditätsmanagement oder Überweisungen inklusive Swift-Avis durchführen kann – werden die Probleme bekommen. Ein Einstieg kann also das Devisentermingeschäft sein, indem wir für dieses Unternehmen ein funktionierendes Overlay konzipieren. Manchmal ist auch der Geschäftsbetrieb ein Türöffner. Es gibt Start-ups, die fremdwährungslastig sind. Berenbergs Corporate-Sparte ist einer der führenden Heuerzahler für Reeder weltweit. Die Zahlungs- und Verkehrssysteme, die wir haben, funktionieren auch für Start-ups einwandfrei, so dass sie auch bereits frühphasiger bei uns ein Konto eröffnen können.
Dann sind Sie in diesen Fällen also weniger in der Vermögensverwaltung aktiv, sondern vielmehr als Sparringspartner für andere Disziplinen?
Meinschien: Wir sind Türöffner in die Bank und zu unseren Bankdienstleistungen. Dementsprechend ist für unser Team besonders wichtig, genau zu verstehen, welche Aufgabenstellungen es beim Kunden geben könnte und in welche Richtung wir den Ball abspielen könnten – und oft ist es eben tatsächlich noch kein Anlagethema.
Anlagethemen ploppen spätestens dann auf, wenn es zum Exit kommt. Was macht diese Klientel in der Vermögensverwaltung besonders?
Meinschien: Die Gespräche beginnen immer mit einem leeren Blatt Papier und einer detaillierten Bestandsaufnahme. Die klassische 60/40-Regel fürs Portfolio funktioniert hier praktisch nicht mehr. Für gewöhnlich ist der typische junge Unternehmer, der einen Exit hingelegt hat, mit – über den Daumen – 60 bis 80 Prozent in Venture Capital, Private Equity oder Direktbeteiligungen investiert. Die sind völlig anders aufgestellt als die ältere Generation der Private-Banking-Kunden. Unser Job beginnt dann häufig mit der Frage: Wie sieht eigentlich deine Strategische Asset Allocation aus?
Können die etwas damit anfangen?
Meinschien: Nicht alle. Manche wollen damit auch nichts anfangen. Diejenigen, die sich damit auseinandersetzen, sind aber dankbar, wenn man Ihnen einmal zeigt, dass sie fast nur in Growth-Investments investiert sind – und was das für Folgen haben kann, haben viele im vergangenen Jahr gemerkt. So sprechen wir das erste Mal seit zehn Jahren mit jüngeren Kunden wieder über Anleihen oder Multi Asset Portfolios.
Heißt, das Produktivkapital fließt jetzt eher ins Fremdkapital?
Meinschien: In Teilen stimmt das. Viele der Investments, die in Richtung Private Equity und Venture Capital fließen, stehen noch aus, weil sie noch nicht abgerufen sind. Wir sichern momentan die Capital Calls, die in den nächsten Jahren kommen werden, beispielsweise über Staats- oder Unternehmensanleihen ab, damit das als Bodensatz bedient werden kann. Wenn man diesen Bodensatz als Safe Haven hat, kann der andere Teil auch wieder offensiver angelegt werden. Die Strategische Asset Allocation ist gerade das vorherrschende Thema in Beratungsgesprächen.
Sind jüngere vermögende Kunden risikoaffiner als die ältere Generation?
Meinschien: Ja, das nehme ich oft wahr. Das hängt natürlich damit zusammen, dass Sie oder ihre Eltern bereits Vermögen aufgebaut haben und im Zweifel relativ weich fallen. Der klassische Patriarch eines Familienunternehmens tickt in vielen Bereichen ganz anders als der Start-up-Gründer – natürlich nicht nur in der Vermögensverwaltung. Spannend ist, wenn beide sich zusammensetzen. Dann können beide Welten voneinander profitieren und das versuchen wir durch Events, zu forcieren. In Berlin haben wir Veranstaltungen, bei denen wir junge Gründer mit klassischen Familienunternehmen zusammenbringen. Über die Berenberg Akademie laden wir unsere oder potenzielle junge Kunden zu Weiterbildungs- und Netzwerktagen ein. Da sind Teilnehmer aus der Start-up-Szene dabei, aber auch Nachfolger aus Familienunternehmen.
Wir haben viel über Start-ups und Scale-ups gesprochen. Eine genauso interessante Kundengruppe für Sie als Privatbank sind die Nachfolger von Familienunternehmen. Was macht die besonders?
Meinschien: Sie sind anders erzogen und sozialisiert als Start-up-Gründer, weil sie ein Unternehmen übernehmen, das über Generationen aufgebaut wurde. Sie wollen aber trotzdem diese Transformation mitnehmen. Sie sind viel offener, sich über neue Ideen, Techniken, mit neuen Menschen auszutauschen. Auch dafür veranstalten wir Roundtables für junge Familienunternehmer, bei denen sie in den Dialog treten können.
Nahezu alle Vermögensverwalter versuchen derzeit, diese Kundengruppe der Unternehmensnachfolger zu adressieren – allein aus dem Grund, weil hier in den kommenden Jahren große Vermögen übertragen werden. Wie sehen Sie in diesem Wettbewerb die Position von Berenberg?
Meinschien: Zunächst einmal gut, weil wir die Unternehmergeneration der Eltern schon kennen. Das verschafft uns eine Position, über die wir erstmal ins Gespräch kommen. Allerdings ist eine individuelle Dienstleistung wie für die Eltern für ein Unternehmerkind, 18 Jahre alt, auch durch die Regulatorik bei Banken schwierig. Übertragen werden in der Regel 100.000 bis 200.000 Euro. Das heißt man ist in der Anlageberatung gezwungenermaßen in einem eingeschränkten Spektrum unterwegs, so sind Private-Equity/Venture Capital oder Debt Funds erst ab einem höheren Mindestzeichnungsvolumen erwerbbar. Wir haben also einen super ersten Kontakt, die Dienstleistungspalette dahinter muss aber auch passend sein. Daher arbeiten wir hier gerade an angepassten Dienstleistungen, die digitalisiert, aber trotzdem noch mit einer individuellen Beratungserfahrung bei Berenberg starten möchten.