Interview mit Frederik Gottlob und Oliver Meinschien

So viel Wagniskapital wie nie zuvor

Start-ups mit einem guten Business Case finden trotz Krisen Investoren, erklären Frederik Gottlob und Oliver Meinschien von Berenberg. Das Interview führte Armin Fuhrer und ist in der Gesamtauflage von DIE WELT am 05. Dezember erschienen.

Wie schätzen Sie derzeit die Chancen für Gründerinnen und Gründer ein?

Frederik Gottlob: Wir haben in den vergangenen Jahren eine sehr gute Entwicklung für den Standort Deutschland und auch für Europa mit vielen Gründungen gesehen. In diesem Jahr hat sich diese Entwicklung ein wenig abgeschwächt. Das liegt aber nicht daran, dass das Ökosystem für Start-ups und Unternehmensgründungen nicht mehr funktioniert, sondern dass manche Gründerinnen und Gründer aufgrund des globalen politischen Umfelds sowie der aktuellen Marktsituation zurzeit zurückhaltender sind, ihr Startup auf den Weg zu bringen. Die Anzahl der Gründungen sind 2022 also zurückgegangen. Das Paradoxe ist aber, dass so viel Wagniskapital zur Verfügung steht, wie noch nie zuvor. Es verändert sich aber die Einstellung der Investoren, in welche Unternehmen investiert wird und wie die Investoren auf die Unternehmen schauen.

Was bedeutet das?

Frederik Gottlob: Wir kommen aus einer Phase, in der es vorrangig um reines Wachstum ging. In den vergangenen Jahren hatte man fast schon das Gefühl, dass die Investoren bei den Startups pitchen und nicht umgekehrt. Die Prüfungsprozesse der Investoren wurden teilweise abgekürzt und für die Unternehmen ging es oft nur noch um die höhere Bewertung und gar nicht mehr vorrangig darum, welchen strategischen und operativen Mehrwert die Investoren mitgebracht haben.

Das ändert sich gerade stark, weil die Investoren nun deutlich risikoaverser werden. Insgesamt und langfristig ist das aber für das Ökosystem Startup eine gesunde Entwicklung. Denn dadurch bekommen gute Unternehmen weiterhin nachhaltig Kapital zur Verfügung gestellt, während solche Unternehmen, die möglicherweise nicht so gute Chancen am Markt haben, dieses Funding entweder gar nicht mehr oder nicht mehr so einfach erhalten.

Welche Branchen stehen bei Gründerinnen und Gründern im Mittelpunkt?

Frederik Gottlob: Grundsätzlich ändert sich der Blickwinkel der Investoren auf bestimmte Sektoren ständig. Aktuell dreht sich vieles um Impact Themen und ESG, also um alles, was mit der grünen Transformation zu tun hat. Ebenso laufen Deep Tech-Themen gut, die einen nachhaltigen Einfluss auf die Zukunft haben können. Außerdem sehen wir aktuell, dass B2B besser funktioniert als B2C. Wichtig ist aber vor allem, dass Investoren vermehrt auf einen klaren Weg hin zur Profitabilität und positive Cashflows schauen.

Es geht nicht mehr wie in der Vergangenheit ausschließlich um schnelles Wachstum. Heute stehen Profitabilität, Cashflow und nachhaltiges Wachstum im Vordergrund.

Gute Unternehmen bekommen weiterhin nachhaltig Kapital zur Verfügung gestellt, während solche Unternehmen, die möglicherweise nicht so gute Chancen am Markt haben, dieses Funding entweder gar nicht mehr oder nicht mehr so einfach erhalten.

Frederik Gottlob

Welche Startups sind für Sie interessant?

Oliver Meinschien: Berenberg wird selbst nicht in einer der ersten Finanzierungsrunden aktiv. Zu uns kommen Unternehmen, die die Vision eines Börsengangs haben. Wir sind aber auch mit Start-ups im Austausch, die sich noch in einer früheren Phase befinden. Diesen Start-ups können wir mit unserem Netzwerk helfen, um eine finanzielle Unterstützung geht es in solchen Fällen noch nicht. Aber wir können wichtige Kontakte zu Investoren, Family Offices oder auch zu Venture Capital Fonds vermitteln. Wir helfen also gerne vorab in dem Wissen, dass der nächste Schritt, also eine größere Finanzierungsrunde, zu einer Zusammenarbeit mit uns führen kann.

Was müssen Startups mitbringen?

Oliver Meinschien: Sie benötigen einen klaren Business Case und sie müssen einen Weg zur Profitabilität aufzeigen können. Wenn das gegeben ist, gehen wir mit den Unternehmerinnen und Unternehmern in die Gespräche und schauen, wie wir sie unterstützen können.

Start-ups benötigen einen klaren Business Case und sie müssen einen Weg zur Profitabilität aufzeigen können. Wenn das gegeben ist, gehen wir mit den Unternehmerinnen und Unternehmern in die Gespräche und schauen, wie wir sie unterstützen können.

Oliver Meinschien

Worin liegt der Vorteil, wenn die Start-ups schon früh zu Ihnen kommen?

Frederik Gottlob: Gerade die gute Beratung einer erfahrenen Investmentbank wie Berenberg ist in der Anfangsphase eines Start-ups wichtig, denn hier werden bereits wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Umso länger das Start-up arbeitet, umso schwieriger wird es, eine einmal eingeschlagene Richtung zu korrigieren. Das kann sowohl auf der operativen Ebene der Fall sein als auch in Themen rund um die Aktionärsstruktur, die Equity Story oder die Strukturierung von Kapitalrunden. Deshalb schauen wir uns Start-ups gerne schon mal in einer früheren Phase an, auch wenn eine unmittelbare Zusammenarbeit noch nicht in Frage kommt. Start-ups bekommen diesen Zugang in Deutschland und Europa für gewöhnlich sehr selten, denn eine Verbindung zwischen Investmentbank und jungen Start-ups existiert hierzulande kaum. Genau diese Lücke versuchen wir zu füllen, indem wir frühzeitig unsere Investmentbanking-Plattform öffnen und unser Know-how zur Verfügung stellen, damit das Start-up mit uns gemeinsam wächst.

Raten Sie Start-ups auch manchmal ab?

Oliver Meinschien: Das passiert natürlich auch, wenn wir zum Beispiel der Ansicht sind, ein Case passt nicht zum aktuellen Marktumfeld. Nichts wäre schlimmer, als wenn wir jedem erzählten, er habe eine erfolgversprechende Story – eine ehrliche und klare Meinung ist viel hilfreicher.

Wie groß ist der Anteil solcher Fälle?

Oliver Meinschien: Wir lehnen mehr Unternehmen ab als wir annehmen. Wir verstehen uns nicht als Inkubator sondern begründen unser Handeln auf Qualität. Wenn wir uns entscheiden, ein Unternehmen zu begleiten, dann mit allen Konsequenzen. Es bringt beiden Seiten nichts, wenn wir eigentlich der Auffassung sind, dass die Sache zum Scheitern verurteilt ist. Und da wir in intensivem und regelmäßigem Kontakt zu den Investoren stehen, wissen wir auch, was sie suchen. Damit können wir die Unternehmen selektieren, die derzeit eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, sich erfolgreich am Markt zu platzieren. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, stehen die Chancen gut, Start-up und Kapitalgeber zusammenzubringen, denn wie schon gesagt: Kapital ist derzeit reichlich vorhanden.

Im Interview

Oliver Meinschien
Leiter Kompetenzteam Young Entrepreneurs
Telefon +49 40 350 60-138
Frederik Gottlob
Leiter Corporates