Narendra Modi von der Bharatiya Janata Party (BJP) leitet gestützt von den Parteien der „Nationalen Demokratische Allianz“ weiterhin als Premierminister die Geschicke Indiens. Das spricht für Stabilität und Kontinuität, von denen Wirtschaft und Aktienmarkt im Land profitieren sollten. Zur positiven Entwicklung beitragen dürfte auch der Haushaltsplan für das Fiskaljahr 2025. Dieser ist auf ein starkes langfristiges Wachstum ausgelegt und stellt aus unserer Sicht ein gutes Gleichgewicht zwischen wachstumsfördernden und stabilisierenden Maßnahmen her.
Zunächst signalisiert der neue Haushaltsplan fiskalische Zurückhaltung: Aufgrund der hohen Steuereinnahmen, einer besseren digitalen Infrastruktur, geringerer Subventionsausfälle und höherer Dividenden von Unternehmen des öffentlichen Sektors und der indischen Zentralbank wird das Haushaltsdefizit für das Fiskaljahr 2025 mit 4,9 Prozent veranschlagt – und damit niedriger als die im Vorfeld erwarteten 5,1 Prozent. Die Regierung plant mit einem Netto-Steueraufkommen von +11 Prozent im Vergleich zum nominalen Wirtschaftswachstum in Höhe von 10,5 Prozent. Insgesamt ist das Land auf dem Weg, das Defizitziel von 4,5 Prozent bis zum Fiskaljahr 2026 zu erreichen. Wir sehen das zurückgehende Haushaltsdefizit als ein wichtiges positives Signal, da es Spielraum für Investitionen eröffnet.
Massive Investitionen in den Arbeitsmarkt
Um die Beschäftigung und den Konsum zu stärken, legt die Regierung ihren Fokus auf den Arbeitsmarkt. Sie kündigte ein Maßnahmenpaket mit fünf Programmen und Initiativen an, um 41 Millionen Jugendliche über einen Zeitraum von fünf Jahren auszubilden beziehungsweise in Beschäftigung zu bringen. Dafür werden zentral rund 2 Billionen Rupien – umgerechnet rund 22 Milliarden Euro – bereitgestellt. Dieses Fiskaljahr sind ca. 1,48 Billionen Rupien – 16 Milliarden Euro – für Bildung, Gesundheit und Qualifizierung vorgesehen. In Kombination mit der Anpassung der Einkommensteuertarife und der Erhöhung des Standardabzugs, sollte dies den Konsum stützen.
Die Obergrenze für sogenannte Mudra-Kredite (Micro Units Development and Refinance Agency) für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen (KKMU) wird von einer Million auf zwei Millionen Rupien angehoben. Dabei handelt es sich um zinsgünstige Kredite mit flexiblen Rückzahlungsbedingungen. Außerdem wird ein neues Bewertungsmodell für KKMU-Kredite ebenso eingeführt wie ein Kreditgarantiesystem für KKMU aus dem verarbeitenden Gewerbe. Aus unserer Sicht ist dies positiv für den Privatsektor, stützt Kleinunternehmen sowie Privathaushalte und ist ein Beitrag zur Verbesserung des sozialen Gleichgewichts.
Eine zunächst negative Überraschung war die Erhöhung der Kapitalertragssteuer: Sie wurde für kurzfristige Gewinne (Haltedauer unter einem Jahr) von 15 Prozent auf 20 Prozent und für langfristige Gewinne von 10 Prozent auf 12,5 Prozent angehoben. Der daraus resultierende Marktrückgang wurde angesichts vieler ausländischer Käufer schnell aufgefangen. Langfristig ist die Erhöhung aus unserer Sicht positiv, da sich die Anleger mehr auf die Unternehmensgewinne sowie längerfristige Investitionen und weniger auf den kurzfristigen Handel konzentrieren werden.
Junge Bevölkerung – steigender Konsum
Wir sehen den Konsum und die Investitionen seit längerer Zeit als Wachstumstreiber – eine Einschätzung, die durch den neuen Haushalt bekräftigt wird. Seit Modi vor rund zehn Jahren an die Macht kam, weist Indien eine bemerkenswert starke wirtschaftliche Entwicklung auf. Und das Potenzial ist unserer Einschätzung nach weiterhin hoch. Ein Grund dafür ist die sehr junge Bevölkerung. Das Durchschnittsalter in Indien liegt bei 28 Jahren, während es in Deutschland nach Angaben der World Bank 2023 stolze 45 Jahre beträgt. Junge Menschen sind ausgabefreudiger als der ältere Teil der Bevölkerung: Sie wollen Reisen, brauchen Bildung sowie Bankkonten und nutzen die sozialen Medien. Insgesamt ist der Verschuldungsgrad der indischen Bevölkerung eher gering, was ebenfalls für eine Ausweitung des Konsums spricht.
Gleichzeitig hat das indische Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf bereits die Marke von 2.000 US-Dollar überschritten. Die Historie zeigt, dass sich die Konsumgewohnheiten von diesem Moment an verschieben: Das zusätzliche Einkommen wird verstärkt für Güter und Dienstleistungen ausgegeben, die nicht ausschließlich den täglichen Bedarf decken. Aktuell machen Lebensmittel mehr als 40 Prozent der jährlichen Haushaltsausgaben aus – einer der höchsten Werte weltweit. Während sich das BIP pro Kopf bis zum Jahr 2031 in Richtung der 5.000 US-Dollar bewegt, wird sich der Anteil der Ausgaben voraussichtlich immer stärker in den Non-Food-Bereich verlagern.
In Kombination deutet dies darauf hin, dass der Konsum weiter steigen und das Wachstum stützen sollte – ebenso wie Investitionen von sowohl staatlicher Seite als auch aus der Privatwirtschaft im In- und Ausland.
Positive Perspektiven für den indischen Aktienmarkt
Vor dem Hintergrund dieses positiven konjunkturellen Ausblicks sehen wir gute Perspektiven für den indischen Aktienmarkt. Investoren sollten aber die bereits hohen Bewertungen beachten und vor diesem Hintergrund einen aktiven Ansatz verfolgen: Es gilt, die Unternehmen zu finden, deren Gewinnentwicklung ihre Bewertung rechtfertigen kann.
Solche Investmentziele sehen wir in verschiedenen Branchen. Der Konsumbereich bietet beispielsweise interessante Anlagemöglichkeiten in Sektoren wie Reisen und Hotels sowie im Einzelhandel. Die indische Mittelschicht könnte in den kommenden zehn Jahren um 100 Millionen Haushalte wachsen. Das bietet Potenzial für Branchen wie Luxusgüter und Gesundheitsdienstleitungen. Mit Blick auf Finanzwerte halten wir aufgrund der anziehenden Kreditvergabe private Großbanken für spannend. Versicherungsunternehmen sehen wir ebenfalls gut aufgestellt.
Ebenso wie der Konsum dürften die Unternehmensinvestitionen in den kommenden fünf Jahren stark ansteigen. Davon sollten Industrieunternehmen profitieren können – beispielsweise in den Bereichen Energie, Mobilität, Verteidigung, Eisenbahnen, Elektronik und Halbleiter. Wir rechnen aber auch mit Investitionen in konventionellen Sektoren wie Kohlekraftwerke sowie Stahl- und Zementproduktion. Diese werden dadurch gestützt, dass der Immobilienzyklus – sowohl bei Gewerbe- als auch bei Wohnobjekten – noch weiteren Spielraum hat.
Im Berenberg Emerging Asia Focus Fund bevorzugen wir qualitativ hochwertige Unternehmen, die von steigendem Konsum und Investitionen profitieren können. Unter anderem sind zum Beispiel folgende indischen Unternehmen aus unserer Sicht so positioniert, dass diese von weiterem Wachstum im Land profitieren könnten.
- MakeMyTrip (MMYT) – Reisen: Das 2000 gegründete Unternehmen MMYT ist die größte Online-Reisebuchungsplattform in Indien mit einem Marktanteil von rund 45 Prozent. Über seine etablierten Marken wie MakeMyTrip, Goibibo und Redbus bietet das Unternehmen Flugtickets, Hotelbuchungen, Bustickets und Dienstleistungen zur Reiseplanung an. MMYT hat derzeit mehr als 74 Millionen aktive Nutzer monatlich und ist Marktführer in einem wenig durchdrungenen sowie strukturell wachsenden Marktsegment. Angesichts steigender verfügbarer Einkommen dürfte MMYT langfristig von den zunehmenden Reiseausgaben der indischen Haushalte profitieren.
- Mahindra & Mahindra (M&M) – Automobile: Das 1947 gegründete Unternehmen M&M verfügt über eine breite Produktpalette. Sie umfasst SUVs, Pickups, Nutzfahrzeuge, Elektrofahrzeuge, Traktoren und Baumaschinen. Das Unternehmen verfügt über 45 Produktionsstätten und 21 Fertigungsanlagen in Indien sowie in insgesamt 67 Ländern auf der ganzen Welt. M&M ist Marktführer im Traktor- und Landwirtschaftssegment mit einem Marktanteil von rund 40 Prozent und einer hohen Rentabilität. Das Unternehmen könnte mit seinem neuen SUV-Schwerpunkt von den aktuellen Präferenzen der Verbraucher und mit seinen Elektrofahrzeugen vom Aufschwung der E-Mobilität in Indien profitieren.
- ICICI Bank (ICICI) – Banken: Die 1994 gegründete ICICI ist eine der größten Privatbanken in Indien. Die führenden Privatbanken könnten von der wachsenden Wirtschaft und der jungen Bevölkerung enorm profitieren, indem sie ein größeres Kreditportfolio, steigende Privatkundeneinlagen und wachsendes Geschäft in ländlichen Gebieten verzeichnen. ICICIs Fokus auf Wachstum sowohl im Privatkundengeschäft durch Kreditkarten als auch im Geschäftskundensegment durch KMU- und Geschäftsbankkredite trägt kontinuierlich zur Rentabilität der Bank bei.
Autoren
Javier Garcia
Javier Garcia ist seit Oktober 2022 Portfoliomanager bei Berenberg. Er begann seine Investmentkarriere 2002 bei Julius Bär Asset Management (später Swiss & Global Asset Management), wo er ab 2006 Co-Manager des JB Global Emerging Markets Equity Fund wurde und ab 2009 zusätzlich als Lead Fonds Manager des JB Black Sea Funds und des JB Russia Stock Funds tätig war. Von 2013 bis 2022 war er als Senior Portfolio Manager Emerging Markets Equities bei UBS Wealth Management tätig. In dieser Funktion hat er den Bereich Global-Emerging-Markets und Asien-Aktien aufgebaut und gemanaged. Javier Garcia hält einen Bachelor in Business Administration und Economics der Universität Zürich und ist CFA Charterholder.
Dr. Jianan He
Jianan He ist seit Juli 2023 Portfoliomanagerin bei Berenberg. Sie begann ihre Karriere 2020 bei ODDO BHF Asset Management, wo sie als Quantitative Analyst Equities mit Schwerpunkt auf Multi-Faktor-Anlagestrategien für globale Aktienmärkte tätig war. Jianan He hält einen Doktortitel in empirischer Finanzwissenschaft von der Technischen Universität Darmstadt und ist CFA Charterholder.
Über Berenberg
Berenberg wurde 1590 gegründet und gehört heute mit den Geschäftsbereichen Wealth and Asset Management, Investmentbank und Corporate Banking zu den führenden europäischen Privatbanken. Das Bankhaus mit Sitz in Hamburg wird von persönlich haftenden Gesellschaftern geführt und hat eine starke Präsenz in den Finanzzentren Frankfurt, London und New York.
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