In der letzten Dekade setzten Anleger immer stärker auf Aktien, denn sinkende Zinsen machten Anleihen zunehmend unattraktiv. Und auch Rohstoffpreise befanden sich nach dem Rohstoff-Superzyklus im Zuge der Öffnung Chinas und der Globalisierung zu Beginn dieses Jahrhunderts kontinuierlich im Sinkflug. Viele erfolgreiche Multi-Asset-Fonds hatten in den letzten Jahren folglich eine erhöhte Aktienquote und fokussierten sich häufig auf die Steuerung dieses Portfolioanteils relativ zur Kassenquote.
Pandemie, Krieg, Deglobalisierung, Kampf gegen den Klimawandel, demographischer Wandel und vollzogene Zinswende sorgen an den Märkten nun für eine Neuausrichtung, die viele Muster und Strategien der letzten Jahrzehnte in Frage stellt. Selbst wenn die akuten Probleme überwunden werden, ist deshalb danach keinesfalls ein mit den letzten Dekaden vergleichbares Umfeld zu erwarten. Darauf müssen Anleger sich einstellen. Wir sind der Überzeugung, dass wir am Beginn eines goldenen Jahrzehntes für „wahre“ Multi-Asset-Portfolios stehen, also eine aktive und breite Streuung über alle Anlageklassen hinweg. Dafür sehen wir die folgenden drei wesentlichen Gründe:
- Die Ausgangsbasis für „wahre“ Multi-Asset-Portfolios ist mit günstigeren Bewertungen von Aktien, höheren Zinsen und Risikoaufschlägen bei Anleihen und einem beginnenden Rohstoff-Superzyklus so gut wie lange nicht.
- Eine mittelfristig erhöhte Inflation und insbesondere eine höhere Inflationsvolatilität erfordert eine breite Diversifikation über Anlageklassen, Segmente und Regionen hinweg sowie Flexibilität über alle Anlagen.
- Änderungen in Marktstruktur und -verhalten bieten vermehrt Chancen in allen Anlageklassen.
Der Fokus der Anleger sollte sich deshalb von der Aktienseite und der taktischen Steuerung der Aktienquote hin zu einer breiten Aufstellung zur Nutzung der Rendite- und Diversifikationschancen aller Anlageklassen verschieben. Zumal wir auch erwarten, dass Staatsanleihen und Aktien nicht schnell nachhaltig zur negativen Korrelation der letzten zwei Dekaden zurückfinden werden.
Autoren
Prof. Dr. Bernd Meyer
Prof. Dr. Bernd Meyer ist seit Oktober 2017 Chefanlagestratege bei Berenberg und dort im Wealth and Asset Management für die diskretionären Multi-Asset-Strategien sowie die Vermögensverwaltungsmandate zuständig. Prof. Dr. Bernd Meyer war zunächst Leiter der Europäischen Aktienstrategie bei der Deutschen Bank in Frankfurt und London und baute ab 2010 als Bereichsleiter das globale Cross Asset Strategy Research bei der Commerzbank auf. Prof. Dr. Meyer wurde mehrfach ausgezeichnet. So rangierte er mit seinem Team beim renommierten Extel Survey in den Jahren 2013 bis 2017 jeweils unter den besten drei Multi Asset Research Teams weltweit. Prof. Dr. Meyer ist DVFA Investment Analyst, CFA-Charterholder und Gastdozent für „Empirische Kapitalmarktforschung“ an der Universität Trier. Er hat zahlreiche Artikel und zwei Bücher veröffentlicht sowie drei wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten.