Seit der Zinswende 2022 hat der Anleihemarkt eine Renaissance erlebt. Vor allem kurzfristige Anlagen bieten seitdem eine auskömmliche Rendite. Die EZB und andere Zentralbanken befinden sich nun aber wieder auf dem Zinssenkungspfad und die Zinsstrukturkurven normalisieren sich wieder. Die Attraktivität der Renditen für Tages- und Festgeld könnte bald gegenüber Anleiheinvestments verblassen. Wir gehen davon aus, dass vor allem mittlere Laufzeiten (3-7 Jahre) profitieren werden. In den nachfolgenden Seiten erläutern wir, was die Abkehr vom Niedrigzinsumfeld verursacht hat, welchen Einfluss Notenbanken auf die Zinsstrukturkurve haben und beleuchten, warum dies für Portfoliopositionierung wichtig ist.
Am 21. Juli 2022 läutete die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinswende ein und beendete mit der ersten Leitzinserhöhung um 0,5 % seit über einem Jahrzehnt die Ära des negativen Einlagesatzes für Banken bei der EZB. Dies war keine Überraschung, denn außer Kontrolle geratene Inflationsraten zwangen die Ratsmitglieder regelrecht zu diesem Schritt. Nachdem der Refinanzierungssatz im September 2023 das Hoch von 4,5 % erreicht hatte, folgte im Juni 2024 die erste Senkung, gefolgt von zwei weiteren im Herbst. Bei anderen wichtigen Notenbanken sieht es ähnlich aus: Die Bank of England senkte erstmalig im August, die Schwedische Riksbank, Bank of Canada und die Schweizer Nationalbank haben ebenfalls bereits drei Senkungsschritte hinter sich. Die Federal Reserve (Fed) zog im September 2024 ebenfalls mit einer Senkung um 50 Basispunkte (bp) nach (siehe Abb 1).
Neben der Zinssenkung im September trat auch eine technische Änderung des Zinskorridors (Differenz zwischen Einlage- und Hauptrefinanzierungssatz) in Kraft. Der EZB-Rat beschloss, diesen zur besseren Steuerung des Geldmarktes von 50bp auf 15bp zu senken. Die EZB stellt dem Finanzmarkt durch Offenmarktgeschäfte immer noch sehr viel Liquidität zur Verfügung, reduziert diese aber schrittweise. Der engere Korridor soll die Volatilität am Geldmarkt eindämmen, wenn die Liquidität abnimmt. Mit diesem Beschluss wurde der Hauptrefinanzierungssatz im September um 60bp gesenkt, wovon 25bp auf die beschlossene Zinssenkung und 35bp auf die Veränderung des Abstandes zwischen Einlage- und Refinanzierungssatz entfielen.
Die meisten EZB-Ratsmitglieder gehen davon aus, dass die erhöhten Inflationszahlen der Vergangenheit angehören, und manche rückten auch zunehmende Sorgen vor einem Unterschießen des Inflationsziels von 2 % pro Jahr (aufgrund schwacher Wirtschaftsdaten) in den Vordergrund. Weiteren Zinssenkungen steht demnach nichts im Wege. Die Geschwindigkeit der Senkungen und wie weit gesenkt wird, bleibt jedoch unklar. Solange die große Rezession in der Eurozone ausbleibt, könnte nur bis auf das Niveau des „neutralen Zinses“ gesenkt werden. Philipp Lane, der Chefvolkswirt der EZB, schätzt diesen zurzeit zwischen 1,5-2 %, andere EZB-Ratsmitglieder hingegen zwischen 2-2,5 %.
Der Leitzins als Hauptinstrument der Notenbanken
Das vorrangige Ziel der EZB ist die Gewährleistung von Preisstabilität im Euroraum. Andere Ziele, wie die Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik oder die Förderung einer wettbewerbsfähigen, sozialen Marktwirtschaft mit Vollbeschäftigung, sind dem untergeordnet. Eines der wichtigsten Instrumente, um dies zu erreichen, ist der Leitzins. Er dient als Ankerpunkt für die Zinsstrukturkurve, die jeder Kapitalbindungsdauer einen Zinssatz zuschreibt.
Leitzinsen beeinflussen die kurzfristigen Zinsen stärker. Längere Laufzeiten sind hingegen von Inflations- und Wachstumserwartungen der jeweiligen Staaten abhängig. Die Kreditwürdigkeit der Staaten oder sonstige politischen Risiken können sich hingegen auf alle Laufzeiten gleichermaßen auswirken. Die Liquidität von Anleihen nimmt mit zunehmender Laufzeit tendenziell ab. Das liegt daran, dass längere Laufzeiten einem höherem Zinsänderungsrisiko unterliegen, da der Kurswert von längeren Anleihen sensitiver auf Zinsänderungen reagiert und Banken deshalb für längere Anleihen mehr Risikokapital hinterlegen müssen.
Ein Blick in die Vergangenheit: Drei Szenarien der Zinsstrukturkurve
Der “Normalfall“ ist eine steigende Zinsstrukturkurve. Neben dem aktuellen kurzfristigen Zinssatz wird hier die sogenannte Laufzeitprämie miteinberechnet. Sie beschreibt den Zuschlag den Inverstorinnen und Investoren für das Zinsänderungsrisiko verlangen, wenn sie ihr Kapital für einen langen Zeitraum den Staaten und Unternehmen zur Verfügung stellen. Deswegen sollten die Zinssätze für längere Laufzeiten höher als für kürzere sein. Inflations- und Wachstumserwartungen spielen hierbei natürlich auch eine wichtige Rolle. Je höher die Inflations- und Wachstumserwartungen für die kommenden Jahre sind, desto steiler könnte die Kurve sein, da der Kapitalgeber sonst an realer Kaufkraft einbüßt. Dies war beispielsweise im Jahr 2014 für Bundesanleihen der Fall: Während der kurzfristige Zinssatz bei 0 % lag, war der Zinssatz für 10 Jahre über 100 bp und für 30 Jahre sogar 200 bp höher (siehe dunkelgraue Linie Abb. 2). Diese Form steht im Einklang mit der Prämie für die längere Kapitalbindungsdauer.
Im Niedrigzinsumfeld in den Jahren vor 2022 war die Zinsstrukturkurve sehr flach. Der Zugang zu billigem Kapital und die Aussicht darauf, dass die Zinsen auf unbestimmte Zeit niedrig bleiben, haben es Staaten und Unternehmen ermöglicht, sehr langfristige Kredite aufzunehmen. Ein Beispiel dafür ist Österreich. Die Republik hat 2020 eine Anleihe mit einem Kupon von 0,85 % und einer Laufzeit von 100 Jahren begeben. Ein Zinssatz von dem Kreditnehmer heute selbst bei deutlich kürzeren Laufzeiten nur träumen können. Eine beispielhafte Darstellung dieses Regimes finden wir im Jahr 2019, die Renditen für Bundesanleihen waren fast über alle Laufzeiten hinweg identisch und negativ, erst bei sehr langen Laufzeiten stiegen die Zinsen Richtung 0 % (siehe hellgraue Linie in Abb. 2). Das liegt zum einen daran, dass der Finanzmarkt in der sehr langen Frist eine Normalisierung des Zinsumfeldes nicht ausschloss und andererseits daran, dass es trotzdem eine Laufzeitenprämie gab auch wenn sie sehr niedrig war und diese in der sehr langen Frist zu positiven Renditen führte.
Mit der Anhebung der Leitzinsen im Juli 2022 bzw. der Erwartung einer baldigen Leitzinserhöhung stiegen die (risikolosen) Zinsen über alle Laufzeiten hinweg deutlich an und im Folgejahr lagen die kurzfristigen Zinsen sogar über den langfristigen - die Zinsstrukturkurve Deutschlands war seitdem lange invertiert (siehe orange Linie in Abb. 2). Erst seit erst seit wenigen Wochen verzeichnet die deutsche Renditestruktur wieder eine leicht positive Steilheit zwischen 2 und 10 Jahren.
Die inverse Zinsstrukturkurve - eine Herausforderung für die Realwirtschaft
Eine langanhaltend invertierte Zinsstrukturkurve kann problematisch für eine Volkswirtschaft sein, denn die Interessen von Angebot- und Nachfrage-Seite gehen dann stark auseinander. Investorinnen und Investoren erzielen mit dem kurzfristigen Verleihen ihres Kapitals einen höheren Ertrag bei gleichzeitig weniger Risiko. Unternehmen hingegen schätzen Planbarkeit. Für sie ist es im Regelfall besser, wenn Kredite längerfristig sind, damit sie nicht Gefahr laufen, punktuell in Zahlungsverzug zu geraten und sie die Zinsbelastungen der kommenden Jahre bereits kennen.
Zudem ging in der Vergangenheit eine Inversion der Zinsstrukturkurve häufig einer Rezession voraus. In Deutschland war die Kurve zwischen 2 und 10-Jahren seit November 2022 invertiert und der Unterschied erreichte den höchsten negativen Wert im Juli 2023 (siehe Abb 3). Mitte September 2024 wurde die Steilheit wieder erstmalig positiv, das ganze hielt etwas über 2 Wochen und oszilliert seitdem um 0 herum. Eine schwerwiegende Rezession in den nächsten Monaten scheint aus heutiger Sicht jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Die Wirtschaftsleistung in der Eurozone war lediglich im 4. Quartal 2023 mit -0,1 % gegenüber dem Vorquartal leicht negativ, im 1. Quartal 2024 wuchs sie bereits wieder um 0,3 %.
Auch deshalb könnte der jetzige Zinssenkungszyklus anders als vorherige verlaufen. Die EZB senkt den Leitzins, weil die Abkühlung der Inflationserwartungen gelungen ist und nicht wegen (stark) schrumpfender Wirtschaftsleistung. Auch wenn die Daten volatil sind, deuten die makroökonomische Indikatoren für den Euroraum auf ein zwar schwaches, aber positives Wachstum in den kommenden Quartalen hin. Hinzu kommt expansive Fiskalpolitik in vielen der EU-Mitgliedsstaaten sowie gestiegene Militärausgaben, Kosten für die grüne Transformation und andere strukturelle Themen, die die Inflation(serwartungen) wieder befeuern könnten. Obwohl es je nach Land deutliche Unterschiede gibt, bedeutet das auf die gesamte EU bezogen, dass die EZB weniger stark als in vorherigen Zyklen senken könnte und keine expansive Geldpolitik betreiben dürfte, um die Wirtschaft zu stützen.
Die Markterwartungen bleiben wechselhaft
Vor diesem Hintergrund beobachten Finanzmärkte makroökonomische Indikatoren sehr genau und wenn Daten außerhalb der Erwartungen publiziert werden, führt dies oftmals zu einer Neuinterpretation und damit einer deutlicheren Änderung der Markterwartungen für den Leitzins und somit auch längerfristige Zinsen. Die Bepreisung der Markterwartungen für den Leitzins findet durch den Handel von Terminkontrakten statt. Zum Jahreswechsel waren für 2024 noch sechs bis sieben Zinssenkungsschritte durch die EZB, also in Summe 164 bp an Senkungen, eingepreist. Aufgrund guter Wirtschaftsdaten wurden diese Senkungen jedoch größtenteils wieder ausgepreist. Im Juli waren es nur noch zwei Zinsschritte (exklusive der zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten Zinssenkung um 25 bp). Während der Sommermonate stiegen die Befürchtungen einer harten Landung der US-Konjunktur, der sich zuvor in Europa abzeichnende Aufschwung verlor an Momentum und die Inflationsraten waren weiter rückläufig. Dies führte wiederum zu mehr erwarteten Zinssenkungen, Ende August waren noch weitere 2,5 Zinsschritte (-65 bp) eingepreist. Folglich fielen auch die Renditen bei kurzen und auch bei längerfristigen Zinsen (siehe Abb 4). Im zweiten Schritt sollte die Zinsstrukturkurve sich jedoch weiter normalisieren und nicht alle Laufzeiten werden gleich viel profitieren.
Doch was genau ist eine ‚normale‘ Zinsstrukturkurve?
Ähnlich wie bei dem neutralen Zinssatz ist die angemessene Steilheit keine konstante Größe, sie verändert sich täglich basierend auf Änderungen der Zukunftsaussichten. Wie bereits beschrieben hängt sie unter anderem von Inflations- und Wachstumserwartungen ab. Aber auch andere Faktoren wie Staatsverschuldung, oder politische Instabilität können eine Rolle spielen. Im Zeitraum zwischen Euroeinführung und heute betrug die durchschnittliche Steilheit zwischen 2- und 10-jährigen Bundesanleihen 90 bp. Das bedeutet, der 10-jährige Zins lag im Durchschnitt 90 bp oberhalb des 2-jährigen Zinses. In den USA ist die Datenreihe etwas länger, seit 1976 lag der Durchschnitt bei 84 bp. Eine Annahme der normalen Steilheit zwischen 80-100 bp scheint also angemessen (siehe Abb 5).
Um ein genaueres Bild zu erhalten, kann dieser Zeitraum in verschiedene Regime unterteilt werden. Eine sinnvolle Abgrenzung ist die Zeit vor und seit Beginn der quantitativen Lockerung seitens der EZB. Wenn Zentralbanken quantitative Lockerung betreiben, kaufen sie Anleihen über verschiedene Laufzeiten hinweg. So stellen sie dem Finanzmarkt zusätzliche Liquidität zur Verfügung. Die erhöhte Nachfrage führt zu niedrigeren Renditen für die Laufzeiten, die von den Zentralbanken gekauft wurden. In dieser Phase könnte auch die Steilheit verzerrt gewesen sein. In der ersten Zeitperiode von Anfang 2002 bis zum Anfang März 2015 betrug die durchschnittliche Steilheit 123 bp, in der Zeit vom Anfang März 2015 – Mitte Juni 2024 47 bp (siehe Abb 6). Der langfriste Durchschnitt der Steilheit zwischen 2 und 10 Jahren könnte demnach auch etwas über den oben genannten 80-100 bp liegen.
Implikationen für die Durationspositionierung
Die EZB befindet sich mitten in der Zinssenkungsphase, aber die Geschwindigkeit und das Endziel bleiben ungewiss. Aufgrund der schwächelnden Wirtschaft in Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten der EU, verspürt die EZB allerdings keinen Druck die Zinsen hochzuhalten. Zudem steht die Normalisierung der Zinsstrukturkurve an. In den letzten 2 Jahren war es leicht über Tages- und Termingeld auskömmliche Renditen mit wenig/keinem Zinsänderungsrisiko zu erhalten. Da die langfristigen Zinsen nun wieder über den kurzfristigen liegen, erscheint das nicht mehr die beste Strategie zu sein. Wer sein Kapital jetzt für einige Monate bindet, wird vermutlich in einigen Monaten bei niedrigeren Zinsen wieder anlegen müssen. In Summe könnte die Rendite also deutlich niedriger sein als anfangs gedacht. Um von der laufenden Verzinsung zu profitieren, macht es also gerade jetzt Sinn, einen Blick auf mittlere und längere Zinsen zu werfen.
Doch dies ist nur eine der Einkommenskomponenten bei Anleihen. Neben der oben erwähnten laufenden Verzinsung, kann man mit Anleihen auch Preiseffekte erzielen (vorausgesetzt man hält sie nicht bis zur Fälligkeit). Diese kommen zu Stande, wenn sich das Zinsniveau oder der Risikoaufschlag ändert. Je länger die ausstehende Laufzeit der Anleihe, desto sensibler reagiert sie dann auf diese Änderung. Diese Sensitivität auf Änderungen im Zinsniveau wird anhand der Duration bemessen. Diese ist ein Maß für die durchschnittliche Bindungsdauer des Kapitals in der Anleihe. Bei einer Anleihe mit einem Kupon von Null entspricht die Duration exakt der Laufzeit, denn das gesamte Kapital ist bis zur Fälligkeit gebunden. Zahlt die Anleihe aber einen positiven Kupon, ist die Duration geringer als die Laufzeit, denn über die Kuponzahlung fließt bereits vor Fälligkeit Geld zurück. Je höher die Duration, desto größer der Preiseffekt bei Änderung des zugrundeliegenden Zinssatzes. Ein vereinfachtes Beispiel anhand einer Nullkuponanleihe verdeutlicht dies: Wenn die Zinsstrukturkurve sich um 100 bp parallel nach unten verschiebt, wird der Preis einer Anleihe mit einer Duration von 1 (also Fälligkeit in ca. 1 Jahr) um 1% steigen, der Preis einer Anleihe mit einer Duration von 10 (also Fälligkeit in ca. 10 Jahren) jedoch um 10%.
Eine wichtige Frage für die nächsten Monate ist also, wie sich die Inversion auflösen wird und wie steil die Kurven werden könnte. In der Vergangenheit löste sie sich oft in einem sogenannten “bull steepening” auf (siehe Abb 7). Die gesamte Kurve fällt, was positive und damit „bullish“ für die Anleiheperformance ist. Das vordere Ende fällt jedoch stärker als der mittlere und hintere Teil und die Kurve normalisiert sich wieder (ansteigende Kurve). Um von steigenden Anleihepreisen zu profitieren, sollte man sich also möglichst an dem Kurvenpunkt positionieren, an dem der Preiseffekt am größten ist. Denn auch wenn die kurzfristigen Zinsen absolut mehr fallen, haben sie eine kürzere Duration und der positive Preiseffekt könnte an einem anderen Punkt der Kurve deutlich größer ausfallen.
Die positive Steilheit könnte allerdings auch zurückkehren, indem die langfristigen Zinsen stärker steigen als die kurzfristigen, das sogenannte „bear steepening“ (siehe Abb 7). Das wird oftmals durch ein erhöhtes Angebot an längeren Staatsanleihen ausgelöst, das auf wenig Nachfrage trifft. Einige EU-Mitgliedsstaaten haben bereits mit sehr hohen Staatsdefiziten zu kämpfen. Wenn der Finanzmarkt die langfristige Schuldentragfähigkeit dieser Länder in Frage stellt, könnte es zu so einer Bewegung kommen. Auch die geopolitische Situation belastet die Staatshaushalte, da es mittelfristig zu erhöhten Verteidigungsausgaben kommen sollte. Für die derzeitige Situation, in der wir immer noch mit einer abgeschwächten Wirtschaftsleistung in Europa kämpfen, hätte das vermutlich gravierende Folgen, da die Investitionsbereitschaft noch weiter gedämpft und zukünftiges Wachstum zusätzlich belastet würde. Davon ist jedoch in der kurzen Frist nicht auszugehen.
Seit der Einführung des Euros hat die EZB nur eine große Zinssenkungsphase vollzogen: 2008-2009 von 3,25 % auf 0,25 %. Vom maximalen Wert der Inversion damals, iHv. 21 bp ist die Differenz zwischen den Laufzeiten bei der letzten Zinssenkung des Zyklus auf 195 bp angestiegen. Am vorderen Ende hat man demnach mehr profitiert. Allerdings dauerte es fast ein Jahr von der ersten bis zur letzten Zinssenkung. Diesmal könnte es etwas anders aussehen, da die wirtschaftliche Kontraktion bisher deutlich schwächer ausgefallen ist und die meisten europäischen Staaten sich bereits wieder in der wirtschaftlichen Erholung befinden.
Implikationen für die Geldanlage
Nachdem der theoretische Hintergrund und die Wirkungsweise von Geldpolitik nun beleuchtet wurden, bleibt eine wichtige Frage offen: nämlich die Implikationen für die optimale Durationspositionierung eines Anleiheportfolios in den nächsten Monaten.
Das Basisszenario für die kommenden Wochen und Monate ist klar: Die EZB wird den Leitzins weiter absenken, die Zinsstrukturkurve wird wieder deutlich steiler. Doch auch viele Fragen bleiben offen: etwa die nach einem bull oder bear steepening. Dies wird unter anderem von der geopolitischen Situation und den fiskalischen Maßnahmen in Europa abhängen. Wir gehen nicht davon aus, dass die EZB (zumindest in diesem Zinszyklus) den Leitzins wieder nachhaltig auf 0% senken kann. Das liegt vor allem an strukturellen Inflationstreibern, wie beispielsweise dem Arbeitskräftemangel und damit einhergehenden Lohndruck. Daher wirkt auch der Renditerückgang bei kürzeren Laufzeiten begrenzt. Aufgrund der Versteilung scheint somit das Ertragspotential bei längeren Laufzeiten ebenfalls begrenzt. Wir gehen daher davon aus, dass vor allem mittlere Laufzeiten (3-7 Jahre) von den Zinssenkungen profitieren werden. Aktive Durationspositionierung ermöglicht uns daher sowohl strategische als auch taktische Opportunitäten zu wahren und so Mehrwert für Portfolios zu erzielen.
Maria Ziolkowski
Maria Ziolkowski ist seit September 2023 im Unternehmen. Sie ist seitdem Co-Portfoliomanagerin und fokussiert sich auf Zinsnahe-Produkte und defensive Anleihen aus dem Investment Grade Segment sowie kurzlaufende Anleihekonzepte.
Bevor sie zu Berenberg kam, arbeitete sie bei Flossbach von Storch als Portfoliomanagerin im Fixed Income Bereich und Händlerin im Multi-Asset Bereich, bei BNP Paribas in London und Lissabon und bei der Allianz Investmentbank in Wien. Neben ihrem Bachelor in Volkswirtschaft von der Wirtschaftsuniversität Wien, Master in Monetary and Financial Economics von der Universität Lissabon und dem Master in Gender Studies von der Universität Wien, ist Maria Ziolkowski CFA Charterholderin.
Felix Stern
Felix Stern begann vor mehr als 18 Jahren bei Berenberg im Asset Management als Portfoliomanager Renten. Heute leitet der Senior Portfoliomanager das Team Fixed Income Selection und ist verantwortlich für die Auswahl von Unternehmens- und Finanzanleihen sowie als Spezialist für die Selektion kurzfristiger Anleihen. Darüber hinaus ist er hauptverantwortlicher Portfoliomanager für mehrere institutionelle Publikumsfonds aus dem Hause Berenberg. Der gelernte Industriekaufmann wechselte nach mehrjähriger Tätigkeit im Bereich Market Research der British American Tobacco (Germany) GmbH Anfang 2000 in den Bereich des Fixed Income-Portfoliomanagements. Der Diplom-Kaufmann in Wirtschaftswissenschaften absolvierte sein Studium berufsbegleitend an der Fernuniversität in Hagen und erwarb zudem einen Abschluss als CCrA - Certified Credit Analyst (DFVA).