Auf den Punkt
USA: Konjunktur kühlt sich langsam ab.
Europa: Wachstum gewinnt erst 2025 an Schwung.
Inflation: vorerst weiter in Richtung Zwei-Prozent-Ziel.
Geldpolitik: Abstieg vom Zinsgipfel in Europa und USA.
USA: Sanfte Landung in Sicht
Das US-Wirtschaftswachstum hat im ersten Halbjahr 2024 dank einer expansiven Fiskalpolitik und eines robusten privaten Konsums erneut positiv überrascht. Die restriktive Geldpolitik geht aber auch an den USA nicht spurlos vorüber, so dass die Konjunktur mittlerweile ein wenig an Schwung verliert. Insbesondere der zuvor stark überhitzte Arbeitsmarkt sowie der Wohnungsbau und die Industrie haben sich zuletzt abgekühlt. Bisher deutet alles darauf hin, dass sich die zuvor überhitzte US-Konjunktur lediglich abkühlt, ein Einbruch ist nicht zu erkennen. Dies lässt sich auch an der Arbeitslosenquote ablesen, die zwar seit April 2023 von 3,4 % auf jetzt 4,2 % angestiegen ist, damit aber im historischen Vergleich immer noch auf einem recht moderaten Niveau liegt. Unternehmen suchen nicht mehr so händeringend nach Arbeitskräften wie noch im vergangenen Jahr. Dies führt dazu, dass auch die Lohnsteigerungen nicht mehr ganz so üppig ausfallen. Nachdem die Stundenlöhne im Sommer 2023 im Vergleich zum Vorjahr noch mit einer Rate von 4,5 % gestiegen waren, liegt der Anstieg aktuell nur noch bei rund 3,5 %. Die Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt wird in den kommenden Monaten vorraussichtlich auch zu einer etwas nachlassenden Dynamik beim privaten Konsum führen. Ähnliches gilt für die Fiskalpolitik, die zwar expansiv bleiben wird, aber keine großen neuen Impulse setzen wird. Denn derzeit sieht es nicht danach aus, dass bei den US-Wahlen eine der beiden Parteien das Weiße Haus erobern und gleichzeitig die Kontrolle über beide Kammern des Kongresses erlangen kann. Die Verabschiedung neuer großer Fiskalpakete nach den Wahlen erscheint daher aus heutiger Sicht unwahrscheinlich. Alles in allem ist daher für die kommenden Monate mit einer gewissen Abschwächung der US-Konjunktur zu rechnen. Die aktuelle Datenlage deutet aber nicht auf eine Rezession hin. Für das Gesamtjahr 2024 rechnen wir mit einem soliden BIP-Wachstum von 2,5 %, gefolgt von 1,5 % im Jahr 2025.
Konjunktur im Euroraum überrascht im ersten Halbjahr positiv
Die Wirtschaft der Eurozone ist deutlich besser durch die erste Jahreshälfte gekommen, als wir dies zu Jahresbeginn erwartet hatten. Im ersten Quartal 2024 stieg die Wirtschaftsleistung in der Eurozone um solide 0,3 % gegenüber dem Vorquartal, im zweiten Quartal um 0,2 %. Verantwortlich hierfür waren vor allem die südlichen Mitgliedsländer, wo ein Mix aus Reformen, einer leicht expansiven Fiskalpolitik (die zum Teil auch auf EU-Mitteln beruht) und einem boomenden Tourismus die Wirtschaft stützte.
Wachstum in der Eurozone findet ohne Deutschland statt
Im europäischen Wachstumsvergleich schneidet Deutschland hingegen nicht gut ab. Die größte Volkswirtschaft der Eurozone tritt seit mehr als zwei Jahren nahezu auf der Stelle. Im zweiten Quartal 2024 sank die Wirtschaftskraft im Vergleich zum Vorquartal sogar um 0,1 %. Die Gründe für das schwache Abschneiden Deutschlands sind vielfältig. Zum einen schwächelt weiterhin die globale Nachfrage, was Deutschland als Exportnation besonders hart trifft. Hinzu kommt, dass chinesische Produkte auf den globalen Absatzmärkten zunehmend mit deutschen Produkten konkurrieren. Belastend wirken sich darüber hinaus die politische Unsicherheit, die restriktive Finanzpolitik und der Arbeitskräftemangel in Deutschland aus.
Neue Wachstumsimpulse sind erst für 2025 zu erwarten
Die aktuellen konjunkturellen Frühindikatoren deuten nicht darauf hin, dass sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland oder im Euroraum in der zweiten Jahreshälfte deutlich beschleunigen wird. Für Deutschland bedeutet dies weiterhin nahezu Nullwachstum und für die Eurozone Expansionsraten, wie wir sie auch in den ersten zwei Quartalen 2024 gesehen haben. Die sinkende Inflation und die steigenden Reallöhne werden die Verbraucher aber mittelfristig dazu ermuntern, wieder mehr Geld auszugeben. Noch halten sich die Konsumenten zwar zurück, in den kommenden Monaten dürfte sich dies aber vorraussichtlich ändern. Konjunkturbelebend werden sich zudem die sinkenden Zinsen auswirken, aber auch hier werden wir wohl bis zum Beginn des nächsten Jahres warten müssen, bis dieser Wachstumsimpuls richtig ins Gewicht fällt. Für die Eurozone rechnen wir für dieses Jahr mit einem BIP-Wachstum in Höhe von 0,7 %, gefolgt von 1,3 % im kommenden Jahr. Die deutsche Wirtschaft wird hingegen dieses Jahr vorraussichtlich um 0,1 % schrumpfen und auch für 2025 rechnen wir lediglich mit einem Plus von 0,6 %.
Gemeinsamer Abstieg der Zentralbanken vom Zinsgipfel
Die rückläufigen Inflationsraten haben es der EZB und der Fed erlaubt, mit dem Abstieg vom Zinsgipfel zu beginnen. Nachdem die Zentralbanken in den Jahren 2021 und 2022 die Preisanstiege zunächst unterschätzt hatten und dann etwas zu zögerlich mit der Straffung der Geldpolitik begonnen hatten, wollen sie jetzt sichergehen, dass die Inflation auch wirklich unter Kontrolle gebracht ist. Die weiteren Zinssenkungen werden daher unserer Meinung nach graduell erfolgen.
Dafür spricht auch, dass die aktuelle geldpolitische Lockerung nicht aus der Notwendigkeit heraus erfolgt, die Konjunktur vor einer drohenden Rezession zu bewahren. Vielmehr sollte der Nominalzins sinken, da ansonsten die rückläufige Inflation zu einem Anstieg des Realzinses und damit zu einer noch restriktiveren Geldpolitik führen würde. Wir erwarten daher, dass die Leitzinsen dies- und jenseits des Atlantiks weiter langsam sinken werden, um die geldpolitischen Zügel zu lockern und der Konjunktur etwas Rückenwind zu geben.
Strukturelle Gründe wie etwa der demografische Wandel und die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz werden voraussichtlich dazu führen, dass sich die Inflationsraten sowohl in der Eurozone als auch in den USA mittelfristig auf einem höheren Niveau als vor der Pandemie einpendeln werden. Für die Notenbanken heißt dies, ihre Geldpolitik weniger aggressiv zu lockern, als es früher üblich war. Wir erwarten, dass die Fed ihren Leitzins bis zum Sommer 2025 auf 3,75–4,0 % senken wird, während die EZB vermutlich bei einem Einlagensatz i.H.v. 2,5 % aufhören wird.