Frau Ziolkowski, Sie managen Staatsanleihen, defensive Anleihen im Investmentgrade-Segment sowie kurzlaufende Anleihekonzepte. Was fasziniert Sie an der Anlageklasse Anleihen und Ihrer Tätigkeit als Portfoliomanagerin?
Schon in der Grundschule durfte ich mir aussuchen, ob ich meine Geldgeschenke als Festgeld oder Tagesgeld anlegen wollte. Später begann ich mich für die Börse und die Finanzmärkte zu interessieren, in der großen Finanzkrise 2007/08 kam ich mit den Anleihemärkten in Berührung. Ich hatte damals eine Geographielehrerin, die mich damit beeindruckte, dass sie österreichische Staatsanleihen besaß. Als Privatperson dem Staat Geld zu leihen, fand ich faszinierend. Ich entschied mich für ein Volkswirtschaftsstudium und beschäftigte mich vor allem mit Geldpolitik und Bankenregulierung.
Anleihen reagieren sensibel auf wirtschaftliche und politische Entwicklungen. Es macht mir großen Spaß, die Zusammenhänge zu erkennen, diese zu bewerten und daraus unsere Positionierung abzuleiten. Da das Marktumfeld dynamisch ist, zwingt es einen fast täglich, seine Meinung zu hinterfragen und Neues zu lernen.
Sie sind jetzt seit gut einem Jahr bei Berenberg. Was zeichnet das Berenberg-Anleiheteam aus und was macht es besonders?
Das Team ist sehr vielfältig und ergänzt sich gut. Jede Person ist für einen Teilbereich verantwortlich, so dass wir sehr viele Themen abdecken können. Zudem sind wir in den Multi-Asset-Bereich integriert und profitieren somit von Synergien. Themen wie Risikosentiment und Konjunktur werden etwa gemeinsam erarbeitet. Nachdem eine Meinung feststeht und begründet wurde, haben wir viele Freiheitsgrade, aktive Entscheidungen zur Positionierung umzusetzen.
Eine Sache, die mich sehr überrascht hat, ist der weit verbreitete Einsatz von Portfoliomanagern mit Programmierkenntnissen und Programmierern. Es gibt unzählige Kollegen, die ständig versuchen, Arbeitsabläufe zu strukturieren, technisch zu unterstützen und damit effizienter und vor allem fehlerfreier zu gestalten. Das gibt uns mehr Zeit für das Portfoliomanagement, die Fundamentalanalyse und Spezialgebiete wie Emerging Markets oder Finanzanleihen.
Anleihen bieten wieder attraktive Renditen. Was bedeutet das für Anleger und wie haben Sie im Anleiheteam darauf reagiert? Welche Anleiheprodukte bietet Berenberg seinen Kunden?
Das höhere Zinsumfeld sorgt dafür, dass Anlegerinnen und Anleger nicht mehr auf Aktien angewiesen sind, um Kapitalerträge oberhalb der Inflation zu erzielen. Berenberg ist ein Haus der kurzen Wege und entsprechend wurden neue Produkte als Antwort auf das neue Umfeld geschaffen. Im letzten Jahr haben wir den Berenberg Euro Target 2028 Fonds sowie verschiedene Laufzeiten- und Leiterstrukturstrategien in der Vermögensverwaltung aufgelegt, mit denen Renditeniveaus gesichert werden können. In diesem Jahr wurde eine reine Anleihestrategie in der Vermögensverwaltung aufgelegt.
Wo liegen die Besonderheiten der Vermögensverwaltung Anleihestrategie Euro? Worauf achten Sie bei der Anleiheselektion?
Die Strategie hat viele Freiheitsgrade und wird aktiv gesteuert. Der Fokus liegt auf Top-down -Entscheidungen wie der Steuerung von Duration, Sektoren- und Länderallokation und der chancenorientierten Auswahl von Einzeltiteln. Sie wird ab fünf Mio. Euro angeboten, um sinnvoll diversifizieren zu können, da Unternehmensanleihen mehrheitlich ein Mindestinvestment von 100.000 Euro voraussetzen. ETFs und Fonds werden hingegen nur in Einzelfällen (z.B. Vermeidung von Transaktionskosten bei sehr geringer Marktliquidität) eingesetzt und sind mit einer maximalen Quote von 15 % begrenzt.
Wo liegen die Unterschiede zwischen der Vermögensverwaltung Anleihestrategie Euro und dem breiten Anleihefonds Berenberg Euro Bonds, der auch einen vermögensverwaltenden Charakter hat?
Beide tätigen Investitionen auf der Grundlage der Kapitalmarktmeinung des Investmentkomitees, wenden sowohl Top-down- als auch Bottom-up-Analysen an und operieren in den gleichen Segmenten. Bei dem Fonds gibt es kein Mindestanlagevolumen und die Zinspositionierung kann über Futures abgebildet werden. Aufgrund der Mindeststückelung bei Anleihen ist der Berenberg Euro Bonds auch diversifizierter und hat zudem eine höhere Maximalquote für High-Yield- und Nachranginvestments.
Wie sind derzeit die Ertragsmöglichkeiten bei Euro-Anleihen und welche Risiken sind damit verbunden?
Derzeit gibt es weltweit keine Anzeichen für die Rückkehr in ein dauerhaftes Niedrigzinsumfeld. Obwohl Zinsen gerade gesenkt werden, sollten strukturelle Faktoren wie der demografische Wandel oder der Klimawandel in Zukunft für höhere (Real-)Zinsen sorgen. Dies sollte in vielen Anleihesegmenten zumindest eine Rendite oberhalb der Inflation ermöglichen. Die laufende Verzinsung von europäischen Staatsanleihen beträgt etwa aktuell 2,8 %, von Investmentgrade-Euro-Anleihen 3,5 % und von High-Yield-Euro-Anleihen 6,4 %.
Durch aktive Steuerung kann ein zusätzlicher Mehrwert erzielt werden. Wenn beispielsweise Rezessionsängste aufflammen, fallen Zinsen normalerweise und die Risikoprämien weiten sich aus, was zu Kursverlusten bei besonders risikoreichen Anleihen führt, während defensive Anleihen profitieren. Wenn wir von einer Rezession ausgehen, würden wir daher auf eine ausgewogenere Positionierung mit einer höheren Quote an Covered Bonds und Staatsanleihen setzen. Die aktive Steuerung sollte es uns ermöglichen, eine gute Performance in einer Vielzahl von Szenarien wie einer steigenden Inflation, einer stärkeren Rezession, Handelskriegen oder auch stärkeren geopolitischen Risiken zu erzielen.
Warum sollten Anleger gerade jetzt über Anleiheinvestments mit längeren Laufzeiten nachdenken?
Aufgrund der immer noch inversen Zinskurve sind die Renditen bei kurzen Laufzeiten aktuell höher als bei längeren Laufzeiten. Es erscheint zunächst attraktiver zweijährige Anleihen zu kaufen. Aber nach zwei Jahren muss das Kapital reinvestiert werden und das bei womöglich niedrigeren Zinsen. Die meisten Zentralbanken haben mit Zinssenkungen begonnen und die Renditehöchststände dürften bereits hinter uns liegen. Eine längere Zinsbindung könnte damit zu einer höheren Gesamtrendite führen. Neben der laufenden Verzinsung sind aber auch Preiseffekte zu berücksichtigen. Obwohl die Zinsen vermutlich am kurzen Ende mehr fallen werden und wir zu einer ansteigenden Kurve zurückkehren werden (im historischen Durchschnitt liegen Renditen für zehn Jahre 80–100 Bp über jenen für zwei Jahre), reagieren Anleihen mit längerer Duration sensibler auf Zinsänderungen, so dass man sich in der Laufzeit positionieren sollte, wo der Effekt aus Zinssenkung und Duration am besten ist. Aus unserer Sicht sind dies aktuell Anleihen mit mittleren Laufzeiten von drei bis sieben Jahren.
Sie verwalten auch Laufzeitstrategien. Was ist die Besonderheit von Laufzeitstrategien und Laufzeitfonds?
Bei Laufzeitstrategien kaufen wir nur Anleihen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig werden. Unser Berenberg Euro Target 2028 Fonds hält beispielsweise nur Anleihen mit Fälligkeiten im Jahr 2028. Die Rendite ist damit recht vorhersehbar, denn es gibt kein Wiederanlagerisiko, Ausfallrisiken können ebenfalls durch konsequentes Risikomanagement minimiert werden. Solche Strategien setzen nur auf die laufende Verzinsung und nicht auf Preiseffekte. Voraussetzung ist das Halten bis zur Fälligkeit. Bei den Strategien haben wir einen Buy-and-Maintain-Ansatz, d.h., wir kaufen Anleihen mit dem Ziel, diese bis zur Endfälligkeit zu halten. Änderungen erfolgen dann aufgrund des Risikomanagements oder wenn eine attraktivere Anleihe mit der gleichen Ziellaufzeit emittiert oder gefunden wird.
Welche Anleihesegmente erachten Sie im Team aktuell als am attraktivsten?
Wir sind recht ausgewogen positioniert. Kerninvestments, die in unterschiedlichen Marktphasen solide Renditen erzielen sollten, werden mit attraktiv verzinsten Einzeltiteln kombiniert. Außerhalb des Euroraums halten wir Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern für attraktiv, da sie eine hohe laufende Rendite bieten und die meisten Währungen aufgrund der Zinssenkungen der Fed gegenüber dem US-Dollar aufwerten dürften.
Kurzvita
Maria Ziolkowski, CFA, ist seit September 2023 bei Berenberg. Als Portfoliomanagerin fokussiert sie sich auf Staatsanleihen und defensive Anleihen im Investment Grade Segment. Bevor sie zu Berenberg kam, arbeitete sie bei Flossbach von Storch und BNP Paribas. Sie hat einen Bachelor in Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftsuniversität Wien, einen Master in Monetary and Financial Economics der Universität Lissabon und einen Master in Gender Studies der Universität Wien.
Unser Interviewgast
Maria Ziolkowski
Maria Ziolkowski ist seit September 2023 im Unternehmen. Sie ist seitdem Co-Portfoliomanagerin und fokussiert sich auf Zinsnahe-Produkte und defensive Anleihen aus dem Investment Grade Segment sowie kurzlaufende Anleihekonzepte.
Bevor sie zu Berenberg kam, arbeitete sie bei Flossbach von Storch als Portfoliomanagerin im Fixed Income Bereich und Händlerin im Multi-Asset Bereich, bei BNP Paribas in London und Lissabon und bei der Allianz Investmentbank in Wien. Neben ihrem Bachelor in Volkswirtschaft von der Wirtschaftsuniversität Wien, Master in Monetary and Financial Economics von der Universität Lissabon und dem Master in Gender Studies von der Universität Wien, ist Maria Ziolkowski CFA Charterholderin.