Horizonte Q4│2024 - Anleihen

Selektive Risiken versprechen Erträge

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das vierte Quartal 2024.

Auf den Punkt

  • Sichere Staatsanleihen mit positivem drittem Quartal, Kurspotenziale allerdings ausgereizt.

  • Markttechnik stützt europäische Unternehmensanleihen, wir präferieren das defensivere Investmentgrade-Segment.

  • Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern mit unausgeschöpftem Potenzial, Einstiegsmöglichkeiten attraktiv.

Gemeinsame Aufwärtsbewegung wahrscheinlich nicht dauerhaft

Das dritte Quartal bescherte Anlegern in weiten Teilen des Anleihemarktes fallende Renditen und damit erfreuliche Gewinne. Für die kommenden Wochen und Monate erwarten wir allerdings keine Fortsetzung der einträchtigen Aufwärtsbewegung der Anleihepreise, sondern eine Rückkehr zur Heterogenität der ersten Jahreshälfte. Insofern dürfte die Differenzierung zwischen einzelnen Anleihesektoren wieder stärker an Bedeutung gewinnen.

Sichere Staatsanleihen: Jüngster Rückenwind flaut wieder ab

Nach zwei negativen Quartalen wendete sich für sichere Staatsanleihen zuletzt das Bild – von Juli bis September konnten Wertzuwächse verzeichnet werden. Vergleichsweise taten sich in jeweiliger Landeswährung besonders US-Treasuries hervor und weisen nun seit Jahresbeginn eine deutlich positive Bilanz auf. Neben erhöhter Nachfrage nach Sicherheit, die den Markt in der zweiten Julihälfte, während der temporären Aktienmarktkorrektur Anfang August und noch einmal Anfang September prägte, kam der anhaltende Disinflationsprozess dem Staatsanleihesegment zugute. So sank die deutsche Preissteigerungsrate im August gegenüber dem Vorjahresmonat auf 1,9 % (bzw. auf 2,0 % im EU-harmonisierten Maßstab) und damit erstmals seit März 2021 wieder unter die Zwei-Prozent-Marke. Auch eurozonenweit sowie in den USA fiel die Inflation, so dass Hoffnungen auf weitere Leitzinssenkungen Staatspapiere zusätzlich unterstützten. Da die Renditen am kurzen deutlich stärker als am langen Ende gesunken sind, sind die Renditestrukturkurven zumindest bei Betrachtung zehn- und zweijähriger Laufzeiten wieder nahezu flach. Vieles scheint nun eingepreist und in unserem Hauptszenario rechnen wir mit wieder steigenden Renditen im längeren Laufzeitensegment. Positive Erträge aus laufender Verzinsung könnten somit teilweise von gegenläufigen Kursbewegungen aufgezehrt werden.

Sichere Staatsanleihen: moderate Erträge bis Mitte 2025

Vergangene und erwartete Wertentwicklung 10-jähriger Staatsanleihen, Gesamteffekt aus Rendite-/Kursveränderung, Kuponertrag und Roll-down-Effekt

Zeitraum: 18.09.2019–18.09.2024
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen, iBoxx-Staatsanleihe-Indizes (7–10 Jahre, TR)

Prognosen: Leitzinsen und Staatsanleiherenditen (in %)

Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zur Jahresmitte 2025 und zum Jahresende 2025

* Durchschnitt, Konsens per 18.09.2024.
Quelle: Bloomberg

Unternehmensanleihen: Technik sticht Bewertung

Euro-Unternehmensanleihen haben auch 2024 bisher die Nase vorn: Das IG-Segment gewann 3,2 % hinzu, während Hochzinspapiere sogar um 5,9 % zulegten. Und auch im weiteren Jahresverlauf sollte das Segment durch markttechnische Faktoren unterstützt bleiben. Die Unternehmensbilanzen präsentieren sich solide und das Gros der jüngsten Quartalsergebnisse zeigt keinerlei Eintrübung durch die Gefahr einer noch immer nicht gänzlich auszuschließenden Rezession. Zugleich steuern die Emissionsmärkte auf ein neues Rekordjahr zu: Bereits 154 Mrd. Euro netto konnten bei reger Nachfrage platziert werden. Der Anlegerappetit scheint groß, schließlich deuten die Fondsmittelzuflüsse sowohl im IG- als auch im Hochzinsbereich laut J.P. Morgan auf ein Wachstum der Anlageklasse von fast 10 % hin. Lediglich beim Thema Bewertung herrscht weniger Zuversicht. Die Risikoaufschläge können in vielen Segmenten im historischen Vergleich nur noch als fair bezeichnet werden (siehe Abb. unten links). Sofern man von einem „Weiter so“ am Markt ausgeht, sollte dies zwar kein Problem darstellen, vielmehr dürfte die technische Unterstützung dominieren. Allerdings könnte ein hitziger US-Wahlkampf neben möglicherweise schwachen makroökonomischen Daten dieses Bild durchkreuzen und eine Korrektur einläuten. Wir fahren auf Sicht und bevorzugen weiterhin Unternehmensanleihen, dies allerdings im defensiveren Investmentgrade- anstatt im Hochzinssegment.

Unternehmensanleihen: HY-Risikoprämien historisch unattraktiv

Die Risikoaufschläge im HY-Segment stellen kein Kaufargument mehr dar, im IG-Segment dagegen liegen sie auf dem Niveau des historischen Medians

Zeitraum: 01.01.2000–16.09.2024. Risikoprämien gegenüber deutschen Staatsanleihen, IG = Invest-mentgrade, HY = High Yield (Hochzinspapiere).
Quelle: ICE, eigene Berechnungen

Schwellenländer: Lokalwährungsanleihen mit Nachholpotenzial

Während noch im Frühjahr über eine mögliche Zinserhöhung in den USA spekuliert wurde, setzte sich während des dritten Quartals die Überzeugung eines beginnenden Zinssenkungszyklus ab September durch. Die diesem Sinneswandel zugrunde liegenden schwächeren Arbeitsmarkt- und Inflationsdaten beeinflussten auch den Markt für Schwellenländerpapiere. Noch bis April waren die Beiträge der Zinskomponente zur Performance negativ, anschließend kehrte sich der Effekt bis Mitte September um (+4,9 % im Hartwährungs-, +1,4 % im Lokalwährungssegment). Auffällig ist, dass Lokalwährungsanleihen trotz günstiger Rahmenbedingungen noch nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen konnten. Die Gründe hierfür sehen wir erstens darin, dass sich Schwellenländerzentralbanken angesichts der Unsicherheit über die US-Zinspolitik mit aggressiven Lockerungen zunächst zurückgehalten haben. Zweitens könnte ein möglicher Wahlsieg Donald Trumps das Umfeld für Schwellenländer ändern. Diese Ungewissheit wird voraussichtlich bis zur Präsidentschaftswahl am 5. November bestehen bleiben. Drittens führten überraschende Äußerungen seitens Brasiliens und Kolumbiens zu Sorgen vor steigenden Haushaltsdefiziten und zu Abverkäufen in jeweiligen Lokalwährungsanleihen. Wir halten diese Bewegungen indes für überzogen. Langfristig sollte die Bewertung wieder auf ein fundamental gerechtfertigtes Niveau zurückkehren, so dass derzeit interessante Einstiegsmöglichkeiten bestehen. Daher präferieren wir weiterhin Lokalwährungspapiere gegenüber ihren Pendants in Hartwährung und halten Erstere aufgrund ihrer Risiko-Ertrags-Perspektive für die attraktivste Anlageklasse innerhalb der Schwellenländer.

Schwellenländer: Lokalwährungspapiere haben Nachholpotenzial

5-jährige US-Renditen sind im Vergleich zur Rendite durationsähnlicher EM-Lokalwährungsanleihen seit Juni deutlich stärker gesunken (in %)

Zeitraum: 01.01.2024–31.08.2024.
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen. LW = Lokalwährungen, LW-Rendite: J.P. Morgan GBI-EM Global Diversified Composite Yield to Maturity

Fazit: Chancen bei Unternehmens- und Schwellenländeranleihen

Sichere Staatsanleihen haben nach einem unerwartet guten dritten Quartal mit Blick nach vorn etwas an Attraktivität verloren. Sowohl in Deutschland als auch bei US-amerikanischen und britischen Papieren sollten im Fall einer sanften Landung der US-Konjunktur mittelfristig wieder steigende Renditen und damit Kursverluste bevorstehen, die die laufende Verzinsung ganz oder teilweise aufzehren. Unternehmensanleihen sind trotz nicht mehr günstiger Bewertung durch die Markttechnik gut unterstützt und dürften sich ohne deutliche Konjunkturschwäche weiterhin besser entwickeln. Angesichts möglicher Risiken bevorzugen wir allerdings das defensive Investmentgrade-Segment gegenüber Hochzinsanleihen. In Schwellenländern sind unverändert Lokalwährungspapiere unsere Favoriten, die ihr Potenzial noch nicht zur Gänze ausgespielt haben. Dies könnte sich in den kommenden Monaten ändern.

Autoren

Martin Mayer
Senior Portfoliomanager Multi Asset
Bettinger Christian
Christian Bettinger
Leiter Fixed Income Euro & Emerging Markets
Wei Lon Sung
Leiter Fixed Income Emerging Markets