Horizonte Q4│2024 - Aktien

Chancen für Jahresendrallye nach der US-Wahl

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das vierte Quartal 2024.

Auf den Punkt

  • Aktienindizes dürften noch moderates Aufwärtspotenzial bis zum Jahresende haben. Allerdings sehen wir dies vor allem nach den US-Wahlen. Welche Regionen und Sektoren dabei die Nase vorne haben werden, dürften stark davon abhängen, wer bei den Wahlen als Sieger hervorgeht und ob beide US-Kammern von der gleichen Partei gewonnen werden.

  • Nebenwerte bieten saisonal das größte Potenzial und dürften auch aufgrund fallender Zinsen unterstützt sein. Insgesamt dürfte die Marktbreite zunehmen.

Durchwachsenes Q3 für Aktien

Während sich die großen Aktienindizes im dritten Quartal kaum bewegt haben, gab es unterhalb der Oberfläche eine Rotation. Tech-Aktien gehörten wegen einer Mischung aus KI-Hype-Sorgen und Wachstumssorgen zu den relativen Verlierern. Letztere belasteten auch Rohstoffaktien. Zu den relativen Gewinnern zählten hingegen defensive Aktiensektoren. Regional spiegelte sich das in einer Underperformance von asiatischen und US-Aktien sowie in einer Outperformance von britischen Aktien wider. Die relativ günstig bewerteten Nebenwerte, bei denen schon viel Negatives eingepreist ist, hielten sich erstaunlich gut.

Gemischtes Bild mit Blick auf die Gewinnerwartungen

Obwohl die Rezessionsängste zuletzt vor allem aufgrund enttäuschender US-Konjunkturdaten zugenommen haben, haben die Analysten zuletzt ihre Gewinnschätzungen für die nächsten zwölf Monate nach oben genommen – vor allem für asiatische Aktien und defensivere sowie zinssensitive Sektoren. Der Immobiliensektor sah die positivsten Gewinnrevisionen. Die Gewinnerwartungen, insbesondere für die USA, erscheinen jedoch sehr ambitioniert. Die Analysten erwarten ein Gewinnwachstum von 15 % für US-Aktien für 2025 – und dies bei einem schwächelnden US-Arbeitsmarkt und einer drohenden Wirtschaftsabschwächung. Entsprechend dürfte es in nächster Zeit tendenziell negative Gewinnrevisionen geben.

Defensivere Aktien(regionen) hatten zuletzt die Nase vorne, begünstigt durch fallende Renditen und zunehmende Wachstumssorgen

Zeitraum: 16.09.2019–16.09.2024
Quelle: Bloomberg * KBV = Kurs-Buchwert-Verhältnis; Div. = Dividendenrendite (%); KGV = Kurs-Gewinn-Verhältnis. Werte basieren auf Schätzungen für die nächsten 12 Monate.

Europäische Aktien mit hoher Risikoprämie

Die KGV-Bewertung für den S&P 500 ist nach der Korrektur Anfang August wieder gestiegen und liegt mit 21,3 so hoch wie zuletzt im Oktober 2021. Europäische Aktien sind dagegen im historischen Vergleich nochmals günstiger geworden und handeln nun mit einem historisch hohen Bewertungsabschlag gegenüber US-Aktien von mehr als 37 % auf Indexebene. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Neben der unterschiedlichen Sektorstruktur (mehr innovative und wachstumsstarke Unternehmen in den USA) ist dafür auch das höhere Potenzialwachstum sowie der tiefere und flexiblere Kapitalmarkt in den USA verantwortlich. Zudem werden die USA stärker durch einen höheren Anteil von bewertungsinsensitiven Anlegern (z.B. ETF-Sparpläne) unterstützt. Jedoch dürften diese nicht-neuen Argumente nur einen Teil der Bewertungsdifferenz erklären. Die höheren EU-Energiepreise sowie der mögliche Sieg Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen (und damit wohl höhere Zölle) spielen auch eine Rolle. Das Positive ist, dass europäische Aktien schon eine hohe Prämie für all diese Risiken einpreisen und Chancen bieten, sollten diese nicht eintreten.

Europäische Aktien waren selten so günstig relativ zu den USA

KGV-Bewertung auf Basis der Gewinnschätzungen für die nächsten zwölf Monate europäischer und US-Aktien sowie die entsprechende Bewertungsdifferenz (in %)

Zeitraum: 30.06.1989–16.09.2024
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen

Marktbreite dürfte weiter zulegen

Nachdem die Aktienindexperformance bis in den Sommer hinein von wenigen Titeln, vorwiegend Tech-Titeln, getrieben war, hat sich das Bild seit Juli geändert. Zuletzt konnten defensivere und vor allem zinssensitive Aktien Boden gut machen. Die Q4-Performance dürfte stark von dem Ausgang der US-Wahlen beeinflusst werden. Sollte Harris die Präsidentschaftswahl gewinnen, dürfte dies tendenziell auch Nicht-US-Aktien begünstigen (mehr internationale Zusammenarbeit, weniger Zölle, dafür höhere US-Steuern). Trump mit seinem Fokus auf die USA und Deregulierung wäre zumindest vordergründig besser für US-Aktien und insbesondere US-Nebenwerte mit viel Inlandsexposure. Für europäische Aktien und insbesondere Nebenwerte ist jedoch bereits viel Risikoprämie eingepreist. Zudem könnte ein Gewöhnungseffekt eintreten, da internationale Investoren heute besser als vor acht Jahren wissen, was sie unter Trump erwartet. Sollte es Trump tatsächlich gelingen, den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden, könnte auch Europa davon profitieren (geringere Risikoprämie, niedrigere Energiekosten). Allerdings hängen die Implikationen für die Aktienmärkte auch davon ab, wie viele der Wahlversprechen tatsächlich umgesetzt werden – was wiederum davon abhängt, ob ein Kandidat beide US-Kammern übernimmt oder nicht. Die Historie zeigt, dass die Volatilität vor den Wahlen in der Regel hoch ist und danach stark abnimmt, unabhängig davon, wer gewinnt, da die Unsicherheit verschwindet. Wir sehen daher gute Chancen für eine Jahresendrallye und halten eine Outperformance von Small Caps für wahrscheinlich, begünstigt durch niedrigere Zinsen und eine positive Saisonalität.

Prognoseübersicht: Die Bäume wachsen nicht in den Himmel

Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zur Jahresmitte 2025 und zum Jahresende 2025

*  Durchschnitt, Konsensus Bottom-up per 16.09.2024.
Quelle: Bloomberg, Factset, Berenberg

Was die Unternehmen bewegt

Konjunkturelle Unsicherheit

Europäische Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien profitieren von sich zumindest stabilisierenden Energiepreisen und die Aussicht auf fallende Zinsen erhöht die Attraktivität neuer Projekte. Demgegenüber gestalten sich die Nachfragetrends in der Automobilindustrie weiterhin schwierig und werden von Unsicherheiten rund um das Elektroauto geprägt. Im Luxusbereich berichteten die Unternehmen in den letzten Monaten, insbesondere in Asien, von einer weiteren, sequenziellen Verschlechterung der Trends, und der breite Abschwung hält an. Die Halbleiterbranche konnte zwar weiter von den starken, durch KI getriebenen Trends profitieren und sieht eine weitere Erholung des Kerngeschäfts, jedoch wurden die Erwartungen hinsichtlich Stärke und Schnelligkeit dieser Erholung zuletzt deutlich nach unten korrigiert. Im Gegensatz dazu sind die Trends im Gesundheitssektor weiter solide. Sowohl im Pharma- als auch im Medizintechniksektor waren einige Anhebungen der Jahresprognosen zu beobachten. Nach zwei Jahren des Abschwungs und einem längeren Lagerabbau sehen wir zudem eine deutliche Erholung bei Unternehmen im Life-Science-Bereich. Das De-Stocking kommt zum Ende, und der Auftragseingang wuchs im Vergleich zum Vorquartal. Wie in anderen Sektoren ist die Geschäftsentwicklung in China weiterhin schwach.

Matthias Born, CIO Aktien

Autor

Urbahn Ulrich
Ulrich Urbahn
Leiter Multi Asset Strategy & Research