Auf den Punkt
Staatsanleihen hoher Bonität versprechen positive Erträge, in Lokalwährungen besonders im angelsächsischen Raum.
Europäische Unternehmensanleihen mögen wir defensiv, am kurzen Ende bieten sichere Pfandbriefe ähnliche Renditen.
In den Schwellenländern favorisieren wir das Lokalwährungssegment und sehen Unternehmenspapiere vorn.
Nach wie vor gute Möglichkeiten in einem spannenden Umfeld
Mit der Absenkung der US-Bonitätsnote von AAA auf AA+ durch die Ratingagentur Fitch gab es Anfang August einen Knalleffekt am Anleihemarkt. Da Standard & Poor’s bereits seit 2011 diese (zweitbeste) Einschätzung vergibt, bekommt das US-Treasury unter den großen Agenturen inzwischen nur noch von Moody’s den höchsten Bonitätsrang zugestanden. Daneben waren und sind Rezessionsbefürchtungen und Inflation unverändert wichtige Themen, wobei sich auf beiden Feldern noch keine eindeutigen Signale zeigen. Globale Leitzinsperspektiven und auskömmliche Renditeniveaus hingegen geben grundsätzlich Grund zur Zuversicht.
Sichere Staatsanleihen: Blick voraus — Land in Sicht
Auch im dritten Quartal stiegen die Renditen bonitätsstarker Staaten über weite Zeit, wobei sich im zehnjährigen Segment britische Gilts im Gegensatz zu deutschen und US-amerikanischen Papieren positiv entwickelten. Seit Jahresbeginn haben sie im Vergleich der drei Währungsräume dennoch am schwächsten abgeschnitten Die Europäische Zentralbank hob ihren Leitzins im Juli und im September um insgesamt 50, die US-Fed im Juli und die Bank of England im August um jeweils 25 Basispunkte an. In den USA und im Euroraum dürfte die Phase der Zinsanhebungen damit hinter uns liegen. Unsere Volkswirte gehen davon aus, dass die BoE den Leitzins bis zu einer ersten Senkung im 2. Quartal 2024 bei 5,25 % belassen wird. Im kommenden Jahr dürften dann alle drei Notenbanken die Zinsschraube in die entgegengesetzte Richtung drehen. Apropos 2024: Der Blick nach vorn offeriert in der Kombination aus erwarteten Renditebewegungen und laufender Verzinsung eine insgesamt positive Ertragsperspektive. Trotz des höheren Angebots an US-Treasuries haben dabei bis zur Jahresmitte in jeweiliger Lokalwährung US- und britische Staatspapiere die Nase gegenüber Bundesanleihen vorn.
Unternehmensanleihen: Es muss nicht immer Vollgas sein
Wer hätte das gedacht? Trotz drohender Rezession und anhaltend hoher Inflation haben sich die riskanteren europäischen Hochzinsanleihen (+6,6 %) in diesem Jahr bisher deutlich besser entwickelt als Investmentgrade-Papiere (+2,7 %). Ein Blick auf die Bewertung zeigt jedoch, dass die Risikoaufschläge im High-Yield-Segment im langfristigen Vergleich gerade noch fair erscheinen. Im Falle einer Rezession wären sie sogar als sehr ambitioniert einzuschätzen. Attraktiver hingegen zeigen sich die Risikoaufschläge im Investmentgrade-Bereich. Bei durchschnittlichen Renditen von ca. 4,4 % bevorzugen wir weiterhin diese defensivere Variante von Unternehmensanleihen. Hier überzeugen die allermeisten Emittenten unverändert mit soliden Bilanzen und großzügigen Liquiditätsreserven. Bei der Sektorauswahl konzentrieren wir uns auf defensive Industrien und meiden zyklische, wie zum Beispiel Chemie. Finanzanleihen konnten ihre seit März aufgebaute Underperformance gegenüber Nichtfinanzanleihen merklich reduzieren. Dieser positive Trend sowie weiterhin sehr robuste Quartalsergebnisse bestätigen unser Übergewicht in europäischen Banken und Versicherungen. Solange die Zinsvolatilität auf hohen Niveaus verharrt, bevorzugen wir kurzlaufende Anleihen zwischen ein und drei Jahren. Am kurzen Ende bieten AAA-geratete Pfandbriefe nahezu die gleichen Renditen wie Unternehmensanleihen mit niedrigerem AA-Rating (siehe Abb. unten links). Hier ergibt es Sinn, Risiko aus dem Portfolio zu nehmen und stattdessen besicherte Pfandbriefe beizumischen.
Schwellenländer: Rückenwind für Unternehmensanleihen
Obwohl sich die Risikoprämien von Staats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern in Hartwährung zuletzt etwas ausgeweitet haben, befinden sie sich noch in der Nähe ihrer Jahrestief-ststände (siehe Abb. unten rechts). Derzeit wird die Gesamtrendite von Hartwährungsanleihen stärker von der Volatilität der US-Renditen als von Änderungen der Risikoaufschläge beeinflusst. Wir erwarten, dass die Aktivität an den Primärmärkten für Staatspapiere zunimmt. Dabei dürften Länder mit Investmentgrade-Rating im Vordergrund stehen, da die Renditen für niedrigere Emittentenqualität unverändert hoch sind. Auf der Unternehmensseite beobachten wir weiterhin ein begrenztes Neuangebot, wobei 2023 im Vergleich der letzten zehn Jahre das niedrigste Niveau monatlicher Emissionen verzeichnet. Dieser Umstand sollte Unternehmens- gegenüber Staatsanleihen Rückenwind verleihen. In vielen Schwellenländern dürften die Inflationsraten ihre Höchstmarken hinter sich haben, was im Lokalwährungssegment die Einpreisung einer bevorstehenden geldpolitischen Lockerung und eine positive Wertentwicklung seitens der Zinsduration zur Folge hatte. Auch wenn sich die Differenz zwischen lokalen und US-Zinsen erwartungsgemäß weiter verringert, dürften Schwellenländeranleihen diesem Faktor ebenso wie der jüngsten Aufwertung des US-Dollars standhalten. Wir präferieren Lokalwährungspapiere gegenüber ihren Pendants in Hartwährung und erwarten, dass auf der regionalen Ebene Lateinamerika besser als Asien, Osteuropa, Afrika und der Mittlere Osten abschneidet. In Bezug auf Kreditqualität halten wir das Investmentgrade-Segment im Vergleich zu Hochzinspapieren für attraktiver und bevorzugen dementsprechend eine defensivere Positionierung.
Fazit: Anleihen bieten unverändert gute Möglichkeiten
Auch für die kommenden Monate sehen wir in allen besprochenen Anleihesegmenten interessante Chancen. Allerdings ist zu differenzieren. Sichere Staatspapiere sind vor allem in jeweiliger Lokalwährung außerhalb des Euroraums attraktiv, und bei europäischen Unternehmensanleihen konzentrieren wir uns auf defensive gegenüber zyklischen Sektoren sowie auf gute Bonitäten und auf kurze Laufzeiten, wobei sich die Beimischung besicherter Pfandbriefe empfiehlt. Den Investmentgrade-Bereich präferieren wir auch in Schwellenländern, wo zudem Lokalwährungsanleihen und das Unternehmens- gegenüber dem Staatssegment zu bevorzugen sind. Ein genauer Blick innerhalb der Anleiheklassen lohnt sich.
Autoren
Martin Mayer
Bei Berenberg ist er seit November 2009 als Senior Portfoliomanager mitverantwortlich für die Renten- und Stiftungsstrategie der privaten Vermögensverwaltung sowie für individuelle Multi Asset-Spezialmandate mit defensivem Schwerpunkt. Nach seiner Ausbildung zum Betriebswirt (Wirtschaftsakademie) und seinem Studium zum Dipl.-Volkswirt (Universität Hamburg) trat er 1998 in die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank ein. Dort betreute er bis 2008 individuelle Kundenportfolios für das Private Wealth Management und absolvierte 2001/2002 eine Weiterbildung zum CEFA-Investmentanalysten/DVFA. Im Sommer 2008 wechselte Mayer zur HSH Nordbank und fungierte dort als stellvertretender Leiter des Portfoliomanagements.
Christian Bettinger
Christian Bettinger ist seit Juni 2009 im Unternehmen. Als Fondsmanager des Publikumsfonds Berenberg Euro Bonds und Berenberg Credit Opportunities ist er im Bereich Multi Asset Fixed Income verantwortlich für die Selektion von Unternehmensanleihen. Er absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und anschließend das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. In 2010 wurde der Dipl.-Kfm. vorzeitig aus dem Berenberg Trainee-Programm als Fondsmanager mit den Schwerpunkten Derivate und Renten übernommen. Bettinger ist CFA Charterholder, Certified Financial Engineer (CFE) und zugelassener Eurex-Händler