Auf den Punkt
Bei sicheren Staatsanleihen profitieren Anleger von der gestiegenen Verzinsung, Kursgewinne sind nicht zu erwarten.
Bei europäischen Unternehmensanleihen sind Hochzinspapiere wieder zurück.
Verbesserte Wirtschaftsaussichten und Renditeprämien machen Lokalwährungspapiere in Schwellenländern attraktiv.
Anhaltende Inhomogenität prägt das Bild
Weiterhin gilt, dass die Entwicklung von Anleihen im laufenden Jahr alles andere als homogen verläuft. Angesichts steigender (Real-)Renditen war es entscheidend, dass den daraus resultierenden Kursbelastungen eine Einengung von Risikoaufschlägen (Spreads) entgegenwirkte. So haben sich Segmente mit hoher Bonität wie erstklassige Staatspapiere schwächer als risikoreichere wie beispielsweise Unternehmensanleihen geschlagen, die von sinkenden Spreads profitierten. Wir schätzen auch den weiteren Jahresverlauf als heterogen ein. Wo sehen wir dabei Chancen?
Sichere Staatsanleihen: keine Kursimpulse zu erwarten
Im zweiten Quartal weiteten sich diesseits des Atlantiks die Kursrückgänge sicherer Staatsanleihen seit Jahresbeginn leicht aus. In Deutschland und im Euroraum sorgte der zuletzt stockende Disinflationstrend für Gegenwind, aber auch in den USA bleibt der Preisdruck hoch. Die in der vorigen Ausgabe der „Horizonte“ ausgedrückte Zuversicht für dieses Anleihesegment war somit im Rückblick etwas verfrüht. Wir erwarten dennoch für die kommenden zwölf Monate positive Wertentwicklungen in den drei von uns betrachteten Währungsräumen. Sinkende Leitzinsen seitens der großen Notenbanken wirken dabei grundsätzlich unterstützend, wobei die Europäische Zentralbank (EZB) mit einem Schritt um -25 Basispunkte im Juni bereits den Anfang gemacht hat, die US Fed ihren Zinssenkungszyklus dagegen voraussichtlich erst im Dezember einläuten wird. Trotz sinkender Zentralbankzinsen erwarten wir in unserem Basisszenario keinen Rückgang von Renditen längerer Laufzeit, sodass Anleger bestenfalls die laufende Verzinsung vereinnahmen können sollten. Wer dabei vom laufenden Renditevorteil britischer oder US-amerikanischer Staatsanleihen profitieren möchte, muss aus hiesiger Perspektive das Wechselkursrisiko im Auge behalten.
Europäische Hochzinsanleihen sind wieder zurück
Unsere Skepsis hinsichtlich der Bewertung von Hochzinsanleihen hat sich im bisherigen Jahresverlauf nicht bestätigt. Unternehmensanleihen gehörten zu den Profiteuren der sich aufhellenden Konjunkturaussichten. Zusätzlichen Rückenwind erhielt das Segment durch positive Kapitalflüsse und eine sehr robuste Entwicklung an den Neuemissionsmärkten. Insgesamt führte dies zu einem Rückgang der Risikoaufschläge auf breiter Front. Obwohl das Potenzial für einen weiteren Rückgang der Risikoprämien begrenzt erscheint, sind wir für Hochzinsanleihen bei einer aktuellen Verzinsung von über 6,7 % konstruktiver gestimmt. Die voranschreitende Konjunkturerholung bei gleichzeitig positiven technischen Faktoren sollte weitere Unterstützung bieten. Unverändert gefallen uns Papiere aus dem Segment des defensiveren Investment Grades (IG). Diese bieten ein auskömmliches Renditeniveau von 3,9 %. Zusätzlichen Schub könnte der IG-Bereich durch weitere Zinssenkungen der EZB und die davon erwartete Normalisierung der Zinsstruktur erfahren. In diesem Marktumfeld werden allen voran Anleihen in den mittleren Laufzeitensegmenten profitieren, die rund 45 % des IG-Segments ausmachen. Perspektivisch sollte sich zudem ein positiver Beitrag aus der Entwicklung risikoloser Zinsen einstellen, die im bisherigen Jahresverlauf belasteten. Durch die positivere Bewertung von Kreditrisiken konnte dieser negative Beitrag bisher jedoch ganz oder zumindest teilweise kompensiert werden.
Schwellenländer: deutliche Chancen in Lokalwährungsanleihen
Auch Schwellenländeranleihen haben sich im ersten Halbjahr unterschiedlich entwickelt. Während lokale Staatspapiere durch den Anstieg der US-Renditen und den daraus resultierenden starken US-Dollar unter Druck gerieten, konnten Staats- und Unternehmensanleihen im Hartwährungssegment eine bessere Performance erzielen. Dort war vor allem die überlegene Performance des Hochzinssegments bemerkenswert. Die Gründe dafür sind vielfältig: Einige Länder, namentlich Argentinien und Ecuador, haben seit ihren Regierungswechseln bessere wirtschaftliche Aussichten, während andere, wie Ägypten und Pakistan, von Rettungspaketen internationaler Geldgeber profitierten. Auch insgesamt hat sich das fundamentale Bild in den Schwellenländern aufgehellt. Dank der leichten Erholung der Weltwirtschaft haben sich die Exportaussichten für Schwellenländer verbessert. Zudem hat sich die Lage in China stabilisiert – eine Erholung der Rohstoffpreise war die Folge. In diesem Umfeld ist insbesondere das Lokalwährungssegment sehr attraktiv. Zum einen haben viele Länder durch restriktive Geld- und Fiskalpolitik die Inflation erfolgreich bekämpft, was zu den höchsten Realzinsen seit einer Dekade führte. Zum anderen profitieren viele Länder von der Erholung der Rohstoffpreise, was den lokalen Währungen zusätzlichen Auftrieb verlieh. Vor dem Hintergrund der historischen Differenzen zu US-Staatsanleihen bietet das aktuelle Renditeniveau internationalen Investoren interessante Opportunitäten. Insbesondere lateinamerikanische Länder weisen in diesem Vergleich einen Mehrertrag von rund 5,5 % p.a. auf. Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass sowohl fundamentale Verbesserungen als auch attraktive Renditeniveaus vor allem Lokalwährungsanleihen zu einem vielversprechenden Segment machen. Hier liegen unverändert unsere Präferenzen.
Fazit: Unternehmens- und Schwellenländeranleihen favorisiert
Bezüglich sicherer Staatsanleihen sind insbesondere britische Gilts in Lokalwährung attraktiver als deutsche Bundesanleihen, wobei das Wechselkursrisiko zu beachten ist. Im Segment der Unternehmenspapiere präferieren wir im IG-Bereich die mittleren Laufzeiten, die von einer sukzessiven Normalisierung der Renditestrukturkurve überproportional profitieren sollten. Aber auch Hochzinspapiere sind attraktiv und sollten im Multi-Asset-Kontext beigemischt werden. In Schwellenländern schließlich bleiben Lokalwährungspapiere unsere Favoriten – sie sind die Gewinner im Umfeld hoher Realzinsen und sich erholender Rohstoffpreise.
Autoren
Martin Mayer
Bei Berenberg ist er seit November 2009 als Senior Portfoliomanager mitverantwortlich für die Renten- und Stiftungsstrategie der privaten Vermögensverwaltung sowie für individuelle Multi Asset-Spezialmandate mit defensivem Schwerpunkt. Nach seiner Ausbildung zum Betriebswirt (Wirtschaftsakademie) und seinem Studium zum Dipl.-Volkswirt (Universität Hamburg) trat er 1998 in die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank ein. Dort betreute er bis 2008 individuelle Kundenportfolios für das Private Wealth Management und absolvierte 2001/2002 eine Weiterbildung zum CEFA-Investmentanalysten/DVFA. Im Sommer 2008 wechselte Mayer zur HSH Nordbank und fungierte dort als stellvertretender Leiter des Portfoliomanagements.
Felix Stern
Felix Stern begann vor mehr als 18 Jahren bei Berenberg im Asset Management als Portfoliomanager Renten. Heute leitet der Senior Portfoliomanager das Team Fixed Income Selection und ist verantwortlich für die Auswahl von Unternehmens- und Finanzanleihen sowie als Spezialist für die Selektion kurzfristiger Anleihen. Darüber hinaus ist er hauptverantwortlicher Portfoliomanager für mehrere institutionelle Publikumsfonds aus dem Hause Berenberg. Der gelernte Industriekaufmann wechselte nach mehrjähriger Tätigkeit im Bereich Market Research der British American Tobacco (Germany) GmbH Anfang 2000 in den Bereich des Fixed Income-Portfoliomanagements. Der Diplom-Kaufmann in Wirtschaftswissenschaften absolvierte sein Studium berufsbegleitend an der Fernuniversität in Hagen und erwarb zudem einen Abschluss als CCrA - Certified Credit Analyst (DFVA).