Viele Unwägbarkeiten am Devisenmarkt
Der Euro präsentierte sich in der ersten Jahreshälfte zunächst in erfreulicher Verfassung. Die europäische Gemeinschaftswährung setzte lange ihre Erholung gegenüber dem US-Dollar fort und hatte Anfang Mai bei knapp 1,11 US-Dollar je Euro schon einen guten Teil des Weges zu unserem Jahresendziel von jetzt 1,12 zurückgelegt. Allerdings ist der Weg nach oben nicht ohne Hindernisse. So fiel der Euro auch im Mai wieder auf den Wert vom Jahresbeginn zurück. Angesichts der fragilen geopolitischen und gesamtwirtschaftlichen Lage darf dies aber nicht überraschen.
Die Devisenmärkte haben eine Reihe von Faktoren und Ereignissen zu verarbeiten, die nicht zum üblichen Tagesgeschäft zählen. Vor allem die außergewöhnliche Inflationsepisode und die daraus resultierende Geldpolitik erfordern permanent Neubewertungen. Die Inflationsraten sinken mittlerweile in allen großen Wirtschaftsräumen. Der Disinflationsprozess muss aber noch ein ganzes Stück weitergehen, bevor sich die Währungshüter zurücklehnen können. Insofern versuchen die Marktakteure und Marktbeobachter weiterhin einzuschätzen, ob die Zentralbanken die Geldpolitik noch weiter straffen (US-Fed, Bank of England) beziehungsweise wie weit die Straffung noch geht (EZB). Erschwert wird die Einschätzung durch diffuse konjunkturelle Signale. Während für die USA eine Rezession erwartet wird (was tendenziell preisdämpfend wirkt), überrascht der amerikanische Arbeitsmarkt immer wieder mit beachtlicher Stärke (was tendenziell lohn- und preissteigernd wirkt). In der Eurozone hingegen dürfte die Konjunkturerholung etwas schwächer ausfallen als bisher erwartet. Insbesondere die deutschen Konjunkturdaten enttäuschten zuletzt. Die schwächere Konjunktur spricht gegen eine zu starke geldpolitische Straffung. Und schließlich hatte der Devisenmarkt mit den Unwägbarkeiten der US-Schuldenobergrenze umzugehen. Der Konflikt ist inzwischen beseitigt, aber ein Zahlungsausfall hätte zu schweren Verwerfungen an den Finanzmärkten führen können.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die sicheren Anlagehäfen US-Dollar und Schweizer Franken unterschiedlich stark auf die jeweilige Risikolage reagieren. Während der Euro zum US-Dollar sichtbar zulegen kann, wenn die Risikoneigung an den Märkten steigt, gelingt es dem Euro kaum, Boden gegenüber dem Franken gut zu machen. Hier kommt zum Tragen, dass sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) auf eine Politik des starken Franken festgelegt hat, um die Inflation zu bekämpfen. Das Aufwärtspotential des Euro zum Franken bleibt deshalb begrenzt.