Herr Garcia, als Fondsmanager des Berenberg Emerging Asia Focus Fond liegt Ihr Fokus auf Aktien aus asiatischen Schwellenländern. Haben Sie einen persönlichen Bezug zu Asien? Was macht den Beruf Ihrer Meinung nach so faszinierend?
Ich investiere seit mehr als 16 Jahre in Aktien aus asiatischen Schwellenländern und ich lerne immer noch jeden Tag etwas Neues. Asien ist eine der dynamischsten und auch spannendsten Regionen der Welt, die bereits einen starken Wandel durchlebt hat, sich ständig weiterentwickelt und bis zu einem gewissen Grad auch neu erfindet. Was mich aus Investorensicht besonders fasziniert, ist die Diversität und Vielfalt der Länder und Sektoren. Das Wachstumspotenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft und bietet weiterhin spannende Investment-Möglichkeiten.
Ich denke da zum Beispiel an Indonesien: Das Inselreich ist mit 270 Millionen Menschen das viertbevölkerungsreichste Land der Welt. Das Besondere ist aber, dass der Altersmedian bei gerade einmal 29,4 liegt. In anderen Ländern der Region ist er teilweise noch niedriger. So lag er im Jahr 2021 in Indien bei 27,6 Jahren und in den Philippinen bei 24,5 Jahren. Zum Vergleich: In der Schweiz, in der ich lebe, liegt es bei etwas über 43, in Deutschland sogar bei 45,9. In Indonesien ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung jünger als 30 Jahre. Dies bietet ein enormes Potential für Wachstum, Konsum und Investitionen. Zudem ist das Land sehr rohstoffreich und verfügt über umfangreiche Ressourcen an Erdöl, Gas, Kohle, Nickel und Gold. Darüber hinaus ist das Land politisch stabil und zeigt ein starkes Wirtschaftswachstum, unterstützt durch strukturelle Reformen.
Asien ist örtlich weit weg und zeitlich eine Herausforderung, wie managen Sie das in Ihrem Arbeitsalltag? Und wie selektieren Sie Einzeltitel?
Den zeitlichen Abstand zu den Märkten würde ich eher als einen positiven Aspekt hervorheben. Wir können uns am Morgen mit Analysten, Industriespezialisten und vor allem mit dem Management austauschen, und nachmittags, wenn der Markt geschlossen ist, auf die Analyse der Investments fokussieren. Wir sind langfristige Investoren und treffen unsere Investitionsentscheidungen für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren. Kurzfristige Kursschwankungen sind für uns zwar relevant, beeinflussen aber unsere Investments letztlich kaum. Wir haben einen sehr intensiven und konzentrierten Ansatz. Aus dem Gesamtuniversum von circa 1.500 Werten selektieren wir mittels unseres Bottom-Up Quality Growth Ansatzes ein Portfolio von 40 bis 45 Unternehmen mit starkem Exposure zu Small- und Midcaps. Als Investor muss man aber auch mit der sehr hohen Volatilität der verschiedenen Märkte und auch mit der hohen Geschwindigkeit der Entwicklung umgehen können. Man muss also die Risiken im Blick behalten. Daraus ergeben sich aber auch viele spannende Investitionsmöglichkeiten.
Wie unterscheidet sich Asien von anderen Aktienregionen? Warum sollten Anleger diese Region in ihrem Portfolio haben?
Hier spielen die Kombination aus vielen Marktführern im zukunftsträchtigen Technologiebereich und der positive demographische Trend einer wachsenden Bevölkerung eine große Rolle. So finden sich in den asiatischen Schwellenländern viele starke Firmen aus zukunftsträchtigen Bereichen wie der Solarenergie oder Batterien für Elektroautos. Asien ist Marktführer bei der High-End-Chipproduktion und der größte Halbleiterproduzent der Welt. Das macht asiatische Schwellenländeraktien zu einer langfristig guten Beimischung für ein ausgeglichenes Depot.
Wie schätzen Sie die Spannungen zwischen China und Taiwan bzw. den USA ein?
Die geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA werden weiterhin zu Volatilität führen. Ich denke aber, dass die chinesische Regierung im Moment andere Prioritäten hat. Sie muss dem Land wieder zu Wachstum verhelfen, den Konsum wieder ankurbeln und den Immobilienmarkt stabilisieren. Trotz all der Diskussion um Taiwan und der Rolle Chinas im Russland-Ukraine-Krieg würde ich das politische Verhältnis zu den USA als etwas besser als vor einem Jahr einstufen.
Seit Herbst letzten Jahres stärken Sie mit dem neuen Berenberg Emerging Asia Focus Fond die Aktienplattform bei Berenberg. Wie war der Start?
Der Start ist uns gut gelungen, aber es war kein einfaches Jahr. Wir hatten eine starke China-Rally im Dezember und im Januar, die aber auch sehr schnell wieder verpufft ist. Auf der anderen Seite gab es starke Schwankungen in den verschiedenen Sektoren. Im Moment wird der Markt von Inflationserwartungen und Rezessionsszenarien im Westen geprägt. Es gibt keine klar ersichtlichen Trends und das macht es schwierig, Alpha zu generieren. Trotz all dieser Widrigkeiten konnten wir uns besser als der asiatische Markt entwickeln.
Was macht ihr Fonds im Vergleich zu anderen Asien-Aktienfonds besonders? Was machen Sie anders?
Wir setzen auch in Asien auf unsere bewährte Investment-Philosophie und den dahinterstehenden Prozess – Quality Growth ist auch in Asien eine gute Möglichkeit, um ansehnliche Renditen zu erwirtschaften. Im Vergleich zu den Mitbewerbern haben wir mit nur 40 bis 45 Titeln ein sehr viel konzentrierteres Portfolio. Zudem zeichnet uns unser stärkeres Exposure zu Small- und Midcaps und zu strukturell wachsenden Sektoren wie Technologie, Grüne Energie und Konsum aus – Punkte, die ich gewissermaßen als Berenberg-DNA bezeichnen würde. Auch spielen bei uns ESG-Kriterien eine größere Rolle als bei vielen anderen Asienfonds.
Wie haben sich die Märkte über die letzten Jahre verändert? Warum sehen Sie gerade jetzt Chancen in Asien? Wo sehen Sie Opportunitäten?
Interessant sind vor allem Werte, die von strukturellen Megatrends wie Digitalisierung, Grüne Revolution und den Auswirkungen des demographischen und gesellschaftlichen Wandels profitieren sollten. Die im Durchschnitt sehr junge Bevölkerung in der Region steht für mehr als eine Milliarde junger Menschen, die reisen wollen, Bildung und Bankkonten benötigen und potenzielle Nutzer sozialer Medien sind. So gibt es in Asien bereits mehr als zwei Milliarden Internetnutzer, nirgendwo auf der Welt gibt es mehr. Die Region ist nicht zuletzt auch deshalb führend in den Bereichen E-Commerce-Innovation, 5G-Technologien, soziale Medien sowie Zahlungs- und Transferplattformen. Themen wie Cloud Computing, Big Data, und Internet of Things werden Asiens Wachstum weiterhin positiv beeinflussen. Nicht vergessen darf man auch den Megatrend Künstliche Intelligenz, von dem Asien sehr stark profitiert. Die dafür benötigten großen und leistungsstarken Rechner werden in Taiwan produziert. Auch die Chipproduktion ist dort ein sehr starker Sektor. Dieser Bereich ist zudem stark von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt, weswegen wir mit unserer starken Small- und Mid-Cap Expertise eine gute Ausgangsposition haben. Der Markt ist nur gering von Analysten durchdrungen, das gibt viel Potenzial für einen fundamentalen Ansatz.
Unser Interviewgast
Javier Garcia
Javier Garcia ist seit Oktober 2022 Portfoliomanager bei Berenberg. Er begann seine Investmentkarriere 2002 bei Julius Bär Asset Management (später Swiss & Global Asset Management), wo er ab 2006 Co-Manager des JB Global Emerging Markets Equity Fund wurde und ab 2009 zusätzlich als Lead Fonds Manager des JB Black Sea Funds und des JB Russia Stock Funds tätig war. Von 2013 bis 2022 war er als Senior Portfolio Manager Emerging Markets Equities bei UBS Wealth Management tätig. In dieser Funktion hat er den Bereich Global-Emerging-Markets und Asien-Aktien aufgebaut und gemanaged. Javier Garcia hält einen Bachelor in Business Administration und Economics der Universität Zürich und ist CFA Charterholder.