Auf den Punkt
Sichere Staatsanleihen bieten in den USA und Großbritannien größere Ertragsmöglichkeiten als in Deutschland.
Bei europäischen Unternehmensanleihen bevorzugen wir kurzlaufende Papiere aus dem Investmentgrade-Segment.
In den Schwellenländern bleiben Anleihen in Lokalwährung unsere klaren Favoriten.
Auch im zweiten Halbjahr bleiben Anleihen (selektiv) interessant
Nach den Verwerfungen um die Silicon Valley Bank und die Credit Suisse im März gab es in den vergangenen Wochen mit dem Streit um die US-Schuldengrenze erneut ein zentrales Thema, das alle Segmente des Anleihemarktes bewegte. Anhaltende Rezessionssorgen und Inflationsraten, die sich noch immer deutlich über den von den Notenbanken angestrebten Niveaus befinden, sorgen darüber hinaus für teils widersprüchliche Signale. Wo wir in dieser Situation Ertragschancen erkennen, zeigen wir im Folgenden auf.
Staatsanleihen jenseits des Euroraums in Lokalwährung attraktiver
Die Renditen bonitätsstarker Staaten bewegten sich im zweiten Quartal überwiegend aufwärts, relevante Kursgewinne gab es nicht zu erzielen. Britische Gilts verzeichnen seit Jahresbeginn sogar eine negative Entwicklung (siehe Abb. unten). Die großen Notenbanken lieferten zuletzt keine Überraschungen – die Europäische Zentralbank hob ihre Leitzinsen an, die US Fed pausierte. Im Euroraum werden weiter steigende Leitzinsen einerseits und Rezessionssorgen andererseits in gegensätzlicher Richtung wirken, während in den USA zunächst ebenfalls eine Zinserhöhung zu erwarten ist, der aber bereits im Dezember eine erste Senkung folgen könnte. Wir rechnen damit, dass sich in jeweiliger Lokalwährung sowohl britische als auch US-Staatsanleihen besser als deutsche Bundespapiere entwickeln werden. Vor dem Hintergrund von Konjunkturrisiken sind Emittenten hoher Bonität auch mit längerer Laufzeit zur Absicherung im Gesamtportfoliokontext interessant. Unsere Zinsduration haben wir daher auf eine nahezu neutrale Gewichtung angehoben, während wir bezüglich Risikoprämien („Spread Duration“) angesichts möglicher Ausweitungen zurückhaltend bleiben.
Unternehmensanleihen: langweilig gut
Manchmal kann Langeweile auch gut sein: Europäische Unternehmensanleihen legten im zweiten Quartal in den Segmenten Investmentgrade mit +0,9 % und High Yield (Hochzinspapiere) mit +1,1 % bei nahezu unveränderten und damit weiterhin sehr attraktiven Risikoaufschlägen zu. Anders das Bild im Finanzsektor: Obwohl europäische Banken trotz Rezessionssorgen und Immobilienmarkt-Stress mit soliden Quartalsergebnissen aufwarteten, konnte die aus dem US-Bankensektor rührende Angst nicht abgeschüttelt werden. In Sippenhaft genommen weiteten sich auch im Euro-Raum die Risikoaufschläge gegenüber Nicht-Finanzanleihen merklich aus (siehe Abb. unten). Vorausblickend sollten weiterhin solide Kreditkennzahlen, eine bei reger Nachfrage sehr aktive Neuemissionstätigkeit und moderate Zuflüsse in europäische Unternehmensanleihefonds unterstützend wirken. Ein überraschend positiver Ratingtrend im Investmentgrade-Segment und bisher nur geringe Ausfälle bei Hochzinspapieren kommen hinzu. In Anbetracht eines möglichen wirtschaftlichen Abschwungs, des Aufwärtsdrucks auf die Zinskosten der Unternehmen und bereits auskömmlicher Renditen im Investmentgrade-Bereich ziehen wir diesen Sektor Investitionen in Hochzinspapieren vor. Wenngleich Finanzanleihen und speziell Banken zudem mit ungewöhnlich hohen Risikoaufschlägen locken, bleiben wir auch hier angesichts der Probleme im US-Bankensektor vorsichtig und konzentrieren uns auf die systemrelevanten europäischen Großbanken. Bei anhaltend inversen Zinskurven positionieren wir uns unverändert kurz, um die höheren Renditen zu vereinnahmen und zu hohe Kreditrisiken bei Konjunkturschwäche zu meiden. Sobald sich jedoch in der Zinspolitik der Notenbanken eine Kehrtwende abzeichnen sollte, würden wir mittlere bis längere Laufzeiten bevorzugen.
Schwellenländeranleihen: Lokalwährungen weiterhin Favorit
Die homogene Entwicklung von Schwellenländeranleihen vom Jahresanfang fand im zweiten Quartal ihr Ende. Während sich das Lokalwährungssegment besonders seit Mai positiv entwickelte, gerieten Staats- und Unternehmenspapiere in Hartwährung im Zeitverlauf unter Druck. Grund dafür waren wieder steigende US-Renditen und ein wiederbelebter US-Dollar. Sinkende Inflationszahlen, gepaart mit positiven Realzinsen, insbesondere in Lateinamerika, waren und sind die fundamentalen Treiber für die Outperformance des Lokalwährungssegments. Technische Faktoren wie beispielsweise eine immer noch überschaubare Investorenpositionierung unterstützen diese Entwicklung, und wir erwarten, dass die Divergenz zu Gunsten des Lokalwährungssegments auch im zweiten Halbjahr anhält. Die bereits stark gestiegenen lokalen Renditen bieten im Vergleich zu Hartwährungsanleihen bei geringerer Duration eine attraktive laufende Verzinsung. Die von uns auch für das dritte Quartal erwartete hohe Volatilität am Markt für US-Staatsanleihen macht ein Investment in Lokalwährungspapieren aus Risikogesichtspunkten ebenso attraktiver. Hinzu kommt: Die Kerninflationsraten in Europa und den USA verharren auf hohem Niveau – laufen die Zinserhöhungszyklen in den Schwellenländern schneller als in den USA und Europa aus, wird neben laufender Verzinsung auch Preisperformance wieder an Bedeutung gewinnen. Somit erscheint uns im Laufe des zweiten Halbjahrs eine sukzessive Erhöhung der Duration im Markt für Lokalwährungsanleihen als opportun, um auch an dieser Entwicklung zu partizipieren.
Fazit: Unsicherheiten bestehen, Chancen bleiben
Zinspolitik, Abschwungsängste, zwar sinkende, aber noch zu hohe Inflation – diese und andere Risiken existieren, aber ebenso erkennen wir Möglichkeiten, auch mit Anleihen weiterhin Geld zu verdienen. Sichere Staatsanleihen sind dabei jenseits des Euroraums interessanter, allerdings nur in Lokalwährung, da speziell bei US-Papieren die Währungsunsicherheit zu beachten ist. Das Segment der Unternehmensanleihen ist unser favorisiertes. Wir setzen auf gute Bonitäten kurzer Laufzeit und meiden Hochzinspapiere sowie Banken außerhalb systemrelevanter Großinstitute. In Schwellenländern bevorzugen wir unverändert Lokalwährungsinvestments, wobei eine sukzessive Durationserhöhung in auslaufende Zinserhöhungszyklen im zweiten Halbjahr die Attraktivität noch erhöht
Autoren
Martin Mayer
Bei Berenberg ist er seit November 2009 als Senior Portfoliomanager mitverantwortlich für die Renten- und Stiftungsstrategie der privaten Vermögensverwaltung sowie für individuelle Multi Asset-Spezialmandate mit defensivem Schwerpunkt. Nach seiner Ausbildung zum Betriebswirt (Wirtschaftsakademie) und seinem Studium zum Dipl.-Volkswirt (Universität Hamburg) trat er 1998 in die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank ein. Dort betreute er bis 2008 individuelle Kundenportfolios für das Private Wealth Management und absolvierte 2001/2002 eine Weiterbildung zum CEFA-Investmentanalysten/DVFA. Im Sommer 2008 wechselte Mayer zur HSH Nordbank und fungierte dort als stellvertretender Leiter des Portfoliomanagements.
Christian Bettinger
Christian Bettinger ist seit Juni 2009 im Unternehmen. Als Fondsmanager des Publikumsfonds Berenberg Euro Bonds und Berenberg Credit Opportunities ist er im Bereich Multi Asset Fixed Income verantwortlich für die Selektion von Unternehmensanleihen. Er absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und anschließend das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. In 2010 wurde der Dipl.-Kfm. vorzeitig aus dem Berenberg Trainee-Programm als Fondsmanager mit den Schwerpunkten Derivate und Renten übernommen. Bettinger ist CFA Charterholder, Certified Financial Engineer (CFE) und zugelassener Eurex-Händler