Mit rückläufiger Inflation und den Problemen einzelner Banken wechselte der Fokus der Anleger früh im zweiten Quartal von der Inflation hin zum Wirtschaftswachstum. Die Unsicherheit darüber dominierte mit der Diskussion um die US-Schuldenobergrenze und enttäuschenden Konjunkturdaten aus China und Europa. Anleger blieben skeptisch. Sie bevorzugten Large Caps, defensive Titel und Industrieländeraktien. Aktienfonds verzeichneten Abflüsse. Trotzdem legten insbesondere US-Aktien weiter zu. Besser als erwartete Q1-Unternehmensergebnisse halfen ebenso wie die KI-Euphorie, die einzelne Mega Caps beflügelte. Die wesentlichen Treiber dürften aber regelbasierte Anlagestrategien gewesen sein, denn mehr Momentum-Indikatoren drehten ins Positive, implizite und realisierte Aktienvolatilitäten fielen und mit dem Wachstumsfokus kehrte eine negative Korrelation von Aktien und Staatsanleihen zurück. All dies begünstigte den Aufbau von Aktienpositionen durch regelbasierte Anlagestrategien.
Wie geht es weiter? Die nur langsam rückläufige Kerninflation und der robuste Arbeitsmarkt in den USA dürften die Fed die Zinsen länger höher halten lassen. Der Markt hat zwar bereits etwas von der Erwartung schneller, deutlicher Zinssenkungen Abstand genommen, preist für Ende 2024 aber immer noch um mehr als 130 Basispunkte niedrigere US-Zentralbankzinsen ein. Diese dürfte es aber nur bei einer deutlicheren Wirtschaftsabkühlung geben. Die Aktienmärkte scheinen hingegen auf eine Konjunkturerholung zu setzen. Bleiben aber die Zinsen länger hoch und die Zinsstrukturkurven invertiert, dürfte dies weitere Spuren hinterlassen, wie bereits im Immobilienmarkt, bei regionalen US-Banken oder in Form von schlechteren Kreditkonditionen, sinkender Kreditnachfrage und schwächerem Verbrauchervertrauen. Die Konjunkturrisiken bleiben weiter hoch. Darüber hinaus dürfte eine sinkende Nettoliquidität zu einem Gegenwind werden. Das Ausschöpfen aller Kassenbestände der US-Regierung seit Erreichen der Schuldenobergrenze im Januar und Stützungsmaßnahmen der Fed nach der Pleite der Silicon Valley Bank haben trotz quantitativer Drosselung die Liquidität erhöht. Nach der Einigung im Schuldenstreit kommen nun Ausgabenkürzungen und ein deutlicher Liquiditätsentzug, der die Märkte belasten dürfte. Zudem besteht weiter das Risiko einer steigenden US-Arbeitslosigkeit und damit geringerer ETF-Zuflüsse. Die höheren Aktienpositionen systematischer Strategien machen die Märkte anfälliger. Im Fall eines Volatilitätsanstieges oder einer wieder positiveren Korrelation von Aktien und Anleihen, z.B. aufgrund des Liquiditätsentzuges, dürften diese gezwungen sein, Aktienpositionen in einen fallenden Markt hineinzureduzieren. Vorsicht bleibt deshalb geboten. Das Aufwärtspotenzial scheint bei der Vielzahl an Risiken und gleichzeitig gestiegenen Bewertungen vorerst limitiert. Mit Blick auf einen gleichzeitigen Konjunkturaufschwung beidseits des Atlantiks 2024 sehen wir aber längerfristig Potenzial für Aktien. Wir erwarten jedoch, dass es im zweiten Halbjahr zu besseren Einstiegsniveaus kommt.
Im Insights-Interview erklärt unser Fondsmanager Javier Garcia was ihn an Aktien asiatischer Schwellenländer begeistert, wo er Chancen sieht und was den Berenberg Emerging Asia Focus Fonds auszeichnet. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre
Herausgeber
Prof. Dr. Bernd Meyer
Prof. Dr. Bernd Meyer ist seit Oktober 2017 Chefanlagestratege bei Berenberg und dort im Wealth and Asset Management für die diskretionären Multi-Asset-Strategien sowie die Vermögensverwaltungsmandate zuständig. Herr Meyer war zunächst Leiter der Europäischen Aktienstrategie bei der Deutschen Bank in Frankfurt und London und baute ab 2010 als Bereichsleiter das globale Cross Asset Strategy Research bei der Commerzbank auf. Prof. Dr. Meyer wurde mehrfach ausgezeichnet. So rangierte er mit seinem Team beim renommierten Extel Survey in den Jahren 2013 bis 2017 jeweils unter den besten drei Multi Asset Research Teams weltweit. Prof. Dr. Meyer ist DVFA Investment Analyst, CFA-Charterholder und Gastdozent für „Empirische Kapitalmarktforschung“ an der Universität Trier. Er hat zahlreiche Artikel und zwei Bücher veröffentlicht sowie drei wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten.