Auf den Punkt
Nach schwachem Jahresstart für Staatsanleihen versprechen britische Papiere in Lokalwährung Erholungspotential.
Bei europäischen Unternehmensanleihen meiden wir Hochzinspapiere, Bankanleihen bieten selektiv Einstiegschancen.
In den Schwellenländern machen sinkende Zinsen besonders das Segment der Lokalwährungsanleihen attraktiv.
Heterogene Märkte bieten unterschiedliche Chancen
Das Anleihejahr 2024 hat gemischt begonnen. Angesichts positiver konjunktureller Überraschungen kam Gegenwind in Form steigender Renditen auf, dem einzelne Anleihesegmente in unterschiedlichem Maße Paroli bieten konnten. Heterogenität dürfte auch den weiteren Jahresverlauf kennzeichnen, wobei wir unsere Parole „Die guten Zeiten sind nicht vorbei“ aus der vorangegangenen Ausgabe der „Horizonte“ nicht zurücknehmen, aber im Folgenden hervorheben, dass innerhalb der von uns besprochenen Teilmärkte Differenzierung unerlässlich ist.
Sichere Staatsanleihen: geteilter Ausblick auf den Jahresverlauf
Nach den starken Renditerückgängen in den letzten Wochen des vergangenen Jahres war das zurückliegende Quartal von einer Gegenbewegung geprägt. Die entsprechenden Kursverluste münden allerdings in einer positiven Botschaft: Die schwierigste Jahresphase dürfte bereits hinter uns liegen. Denn da sich die aktuellen Renditeniveaus den von uns prognostizierten ein gutes Stück angenähert haben, ist der Ausblick auf die kommenden Monate zumindest in Teilen vielversprechend. Besonders für britische Staatsanleihen sehen wir im zehnjährigen Laufzeitsegment gute Chancen für eine deutlich positive Wertentwicklung. Zurückhaltender sind wir für die deutsche Bundesanleihe, die angesichts ihrer vergleichsweise niedrigen Grundverzinsung einem möglichen Kursverlust nicht so viel entgegenzusetzen hat wie ihre angelsächsischen Pendants. Unverändert rechnen wir damit, dass die großen Notenbanken unterstützend agieren werden, indem sie ihre Leitzinsen im Jahresverlauf senken. Für die Europäische Zentralbank erwarten wir dabei inzwischen sogar einen Schritt mehr als noch zu Jahresbeginn.
Unternehmensanleihen: Hände weg vom Hochzinssegment
Mit großer Skepsis hatten wir bereits zum Jahresende 2023 auf die Bewertung europäischer Hochzinsanleihen geblickt. Während das Investment-Grade-Segment noch auskömmliche Risikoaufschläge aufweisen konnte, sahen Hochzinsanleihen in Anbetracht einer möglichen Rezession in Europa bereits teuer aus. Die seit Jahresbeginn überraschend positiven Wirtschaftszahlen und weiterhin solide Unternehmensergebnisse lassen eine baldige Rezession inzwischen jedoch unwahrscheinlicher erscheinen. Dies erklärt den trotz deutlich gestiegener Zinsen erneut positiven Jahresstart von Hochzinsanleihen (+1,8 %). Ungeachtet verbesserter Konjunkturaussichten bleiben wir angesichts der historisch hohen Bewertung dieses Subsegments skeptisch und präferieren defensivere Investment-Grade-Anleihen auf auskömmlichen Renditeniveaus von rund 3,8 %. Aktuell sorgen sich Investoren um die Kredit-Engagements deutscher Finanzhäuser wie der Deutschen Pfandbriefbank, aber auch von Sparkassen und Landesbanken. Folglich haben sich die Risikoaufschläge europäischer Finanzanleihen gegenüber Nicht-Finanzanleihen zuletzt wieder etwas ausgeweitet. Wenngleich wir die Situation für diese Institute zurzeit nicht als bedrohlich einschätzen, würden wir dort zunächst von Neuengagements absehen. Allerdings könnten sich kurzfristig spannende Einstiegsniveaus bei Senior-Anleihen der „National Champions“, zum Beispiel aus Frankreich, Großbritannien oder Spanien, ergeben.
Schwellenländer: Zinssenkungen stützen Lokalwährungsanleihen
Starke Arbeitsmarktdaten und zuletzt höher als erwartet ausgefallene Verbraucherpreise lassen vermuten, dass die US-Zentralbank ihren Leitzins länger auf dem momentanen Niveau belassen könnte, als es noch zu Jahresbeginn erwartet worden war. Die vom Markt für 2024 eingepreiste Anzahl von Zinssenkungen wurde von seinerzeit sechs auf aktuell drei korrigiert, und die Kurve der US-Staatsanleihen verschob sich in diesem Zuge um 25 bis 35 Basispunkte nach oben. In Reaktion darauf gerieten in zahlreichen Schwellenländern die lokalen Zinskurven ebenfalls unter Druck. Ist Letzteres fundamental gerechtfertigt? Der Blick auf die Inflationszahlen von Schwellenländern, die sehr früh Zinserhöhungen vorgenommen hatten, liefert hierfür keinerlei Beleg – im Gegenteil, ist doch die Abflachung der Inflation dort ein klarer Trend. Waren es unter den von uns unter diesem Gesichtspunkt näher analysierten zehn Ländern noch im Dezember gerade einmal zwei, in denen die Inflation bereits auf das jeweilige Zentralbankziel gesunken war, sind es im Januar bereits vier gewesen. Aus fundamentaler Sicht also sollten die lokalen Zinsen nicht steigen, sondern fallen, was die Anleihepreise stützt. Tatsächlich haben einige Schwellenländer-Notenbanken bereits mit Zinssenkungen begonnen, unter anderem Brasilien, Chile, Polen und Ungarn. In Mittelamerika sollte darüber hinaus Mexiko bald folgen. Für Investoren, die von Zinssenkungen in Schwellenländern profitieren möchten, sehen wir daher derzeit sehr attraktive Chancen. Besonders für Anleihen in Lokalwährung bleiben wir optimistisch und bevorzugen unter regionalen Aspekten jene Länder, in denen die Realzinsen hoch sind und sich die Volkswirtschaft fundamental auf dem richtigen Weg befindet. Ferner erwarten wir anlässlich der in einigen Schwellenländern bevorstehenden Wahlen keine negativen Überraschungen, sodass auch von dieser Seite keine Störfeuer auftreten sollten
Fazit: Es lohnt sich der genaue Blick
In allen drei oben besprochenen Segmenten stecken Chancen und Risiken, sodass es notwendig ist, genauer hinzusehen. Der Markt sicherer Staatsanleihen ist besonders für UK Gilts in Lokalwährung attraktiv, deutsche Bundesanleihen und US-Papiere sind es weniger. Wer in Unternehmenspapiere investieren möchte, sollte sich unseres Erachtens auf den Investment-Grade-Bereich konzentrieren. Spannende Opportunitäten bieten zudem nationale „Banken-Champions“. Und in Schwellenländern sind es Lokalwährungspapiere, die von der Zinswende der Zentralbanken profitieren – hier sollte sich der bereits begonnene Trend fortsetzen.
Autoren
Martin Mayer
Bei Berenberg ist er seit November 2009 als Senior Portfoliomanager mitverantwortlich für die Renten- und Stiftungsstrategie der privaten Vermögensverwaltung sowie für individuelle Multi Asset-Spezialmandate mit defensivem Schwerpunkt. Nach seiner Ausbildung zum Betriebswirt (Wirtschaftsakademie) und seinem Studium zum Dipl.-Volkswirt (Universität Hamburg) trat er 1998 in die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank ein. Dort betreute er bis 2008 individuelle Kundenportfolios für das Private Wealth Management und absolvierte 2001/2002 eine Weiterbildung zum CEFA-Investmentanalysten/DVFA. Im Sommer 2008 wechselte Mayer zur HSH Nordbank und fungierte dort als stellvertretender Leiter des Portfoliomanagements.
Christian Bettinger
Christian Bettinger ist seit Juni 2009 im Unternehmen. Als Fondsmanager des Publikumsfonds Berenberg Euro Bonds und Berenberg Credit Opportunities ist er im Bereich Multi Asset Fixed Income verantwortlich für die Selektion von Unternehmensanleihen. Er absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und anschließend das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. In 2010 wurde der Dipl.-Kfm. vorzeitig aus dem Berenberg Trainee-Programm als Fondsmanager mit den Schwerpunkten Derivate und Renten übernommen. Bettinger ist CFA Charterholder, Certified Financial Engineer (CFE) und zugelassener Eurex-Händler