Auf den Punkt
Aktienindizes dürften noch moderates Aufwärtspotenzial bis zum Jahresende haben. Allerdings dürfte es vor allem in den USA keine weitere, größere Bewertungsausweitung geben.
Nebenwerte bieten mehr Potenzial, auch unterstützt durch
zunehmende M&A-Transaktionen.Unser Fokus liegt auf Quality-Growth-Aktien mit hohen Gewinnwachstumsraten. Value-Regionen wie Lateinamerika
finden wir als Beimischung weiterhin attraktiv.
Erfreulicher Jahresstart
Anhaltend robuste US-Makrodaten und positive Konjunkturdaten für Japan und die Eurozone haben zu einer Fortsetzung der Aktienhausse geführt, unterstützt auch durch lockere Finanzbedingungen und eine solide Berichtssaison. Steigende Realzinsen aufgrund zunehmender Inflationsrisiken und das Auspreisen von Zentralbankzinssenkungen wurden hingegen vom Markt zumindest oberflächlich ignoriert. Im Gegensatz zur Jahresendrallye hat die Marktbreite jedoch wieder abgenommen. Zinssensitive Nebenwerte hatten gegenüber ihren „Large Cap“-Pendants dieses Jahr bisher das Nachsehen.
Gemischte Änderungen der Gewinnerwartungen
Obwohl die Q4-Berichtssaison im Aggregat positiv überraschte, fallen die Veränderungen der Gewinnerwartungen für 2024 gemischt aus. Japan profitiert insbesondere vom schwachen Yen und hat die größten positiven Gewinnrevisionen gesehen. Bei US-Aktien sahen vor allem KI-Profiteure Erhöhungen der Gewinnschätzungen, sodass im Aggregat die EPS-Schätzungen für den S&P 500 zumindest leicht anstiegen. Negative Gewinnrevisionen überwogen hingegen in Europa und den Schwellenländern. Angesichts der nach wie vor hohen Zinsen, Löhne und wieder gestiegenen Rohstoffpreise gehen wir weiterhin davon aus, dass es die Unternehmensgewinne dieses Jahr schwer haben werden, nach oben zu überraschen.
Weitere Bewertungsausweitung in den USA limitiert
Die jüngste Hausse war stark bewertungsgetrieben und das trotz steigender Zinsen, was eher ungewöhnlich ist. So steht das Forward-KGV für den S&P 500 nun wieder bei knapp 21 (90. Perzentil über die letzten 10 Jahre), deutlich oberhalb des historischen Durchschnitts von 17. Ein Treiber waren neben der Hoffnung auf langfristig höhere Gewinne aufgrund der KI-Revolution die anhaltenden Zuflüsse in US-Technologie – der einzige Aktiensektor mit massiven Zuflüssen in den letzten Monaten, dank KI-Euphorie. Zudem haben systematische Strategien ihr Aktienexposure weiter ausgebaut, allen voran Risikoparitätsstrategien – dank einer fallenden Korrelation zwischen Aktien und Anleihen. Wir halten angesichts der schon hohen Positionierung nicht-fundamentaler Anleger das Potenzial für eine größere Bewertungsausweitung für limitiert, selbst im Falle von Zinssenkungen seitens der Zentralbanken. Andere Segmente wie europäische Aktien und Nebenwerte sind hingegen günstig im Vergleich zur eigenen Historie bewertet. Sollten unsere Volkswirte recht behalten und sich das europäische Wachstum ab dem zweiten Quartal 2024 wieder beschleunigen, dürften nicht nur die Gewinne, sondern auch die Bewertungen europäischer Unternehmen steigen.
Marktbreite dürfte im weiteren Jahresverlauf zulegen
Wir sehen Chancen vor allem unter der Oberfläche. So gefallen uns Unternehmen aus dem Gesundheitssektor, die von mehreren Megatrends wie der alternden Bevölkerung und der Digitalisierung profitieren. Small Caps mit gesunden Bilanzen dürften unseres Erachtens Aufholpotenzial haben. Dafür sprechen neben der günstigen Bewertung auch die zunehmenden M&A-Transaktionen sowie die Stabilisierung der Zinsen. Unser Fokus liegt weiterhin auf europäischen Qualitätswachstumswerten, die von ihren überdurchschnittlichen Gewinnwachstumsraten profitieren sollten. „Value“-Regionen wie Lateinamerika mögen wir aus Diversifikationsgründen als zyklischen Play und, weil die im Index relativ stark vertretenen Rohstoffaktien bisher deutlich weniger gestiegen sind als die Rohstoffe selbst. Gleichzeitig sollte der US-Aktienmarkt trotz hoher Bewertung relativ unterstützt bleiben. Dafür spricht neben der stärkeren US-Konjunktur, den niedrigeren Energiekosten und den innovativeren Unternehmen vor allem, dass die Mega-Caps am stärksten durch nicht-fundamentale Zuflüsse (ETFs, Optionen, Buybacks) unterstützt bleiben. Insgesamt sehen wir aufgrund der Positionierung und Bewertung nur noch ein moderates Aufwärtspotenzial für Aktienindizes bis zum Jahresende. Die Wahrscheinlichkeit eines Rückschlags über den Sommer ist im Einklang mit der typischen Saisonalität deutlich gestiegen, zumal auch der US-Präsidentschaftswahlkampf in die heiße Phase geht. Dieser dürfte naturgemäß für eine gewisse Volatilität an den Märkten sorgen.
Was die Unternehmen bewegt
Neue Dynamik in vielen Branchen
Bei unseren Gesprächen mit Unternehmen im Rahmen von Konferenzen und Einzelgesprächen zeigten sich die Entscheidungsträger überwiegend optimistisch. Gesundheitsunternehmen wie Novo Nordisk und Eli Lilly verweisen auf ihr weiterhin dynamisches Wachstum im Bereich der Behandlung von Adipositas. Im Bereich Life Science werden zwar Lagerbestände abgebaut, eine Trendwende im Orderverhalten der Kunden bleibt jedoch bisher aus, während sich das Finanzierungsumfeld in der Biotech-Branche langsam zu verbessern scheint. Aus der Private-Equity-Branche hören wir hingegen, dass das Fundraising weiterhin schwierig ist, gut etablierte Strategien mit starkem Track Record aber weiterhin gefragt sind. Die Veräußerungen dürften in diesem Jahr wieder zunehmen. Getrieben von einer starken Nachfrage aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz zeigt der Markt für Speichermedien erste Anzeichen einer Erholung. Auch im Automobilsektor sind die Unternehmen vorsichtig optimistisch, da die Lagerbestände gut abgebaut werden konnten. Eine steigende Nachfrage nach Elektroautos in Europa wird vor allem aus den südlichen Ländern erwartet. Nach einer kurzfristigen Schwäche im Luxusmarkt war im vierten Quartal wieder ein deutlicher Anstieg der Nachfrage zu verzeichnen, der sich auch Anfang 2024 fortgesetzt hat.
- Matthias Born, CIO Aktien
Autor
Ulrich Urbahn
Ulrich Urbahn arbeitet seit Oktober 2017 für Berenberg und ist zuständig für quantitative Analysen sowie die Entwicklung strategischer und taktischer Allokationsideen und ist in die Kapitalmarktkommunikation eingebunden. Er ist Mitglied des Asset Allocation Committee und Portfoliomanager von flexiblen Multi Asset Strategien. Nach seinen Diplomen in VWL und Mathematik an der Universität Heidelberg war er mehr als zehn Jahre bei der Commerzbank unter anderem als Senior-Cross-Asset-Stratege tätig. Ulrich Urbahn ist CFA-Charterholder und gehörte bei der renommierten Extel-Umfrage jahrelang den drei weltweit besten Multi-Asset-Research-Teams an.