Auf den Punkt
Sichere Staatsanleihen bieten attraktive Verzinsungen, sind jedoch nicht ganz so interessant wie andere Segmente.
Europäische Unternehmensanleihen bleiben auf hohem Renditeniveau gefragt, wir bevorzugen den Finanzsektor.
Schwellenländeranleihen sind wieder en vogue, Lokalwährungstitel mit dem besten Chance-Risiko-Verhältnis.
Konstruktiver Jahresauftakt bleibt keine Eintagsfliege
„Der Zins ist zurück“, schrieben wir in der letzten Ausgabe der „Horizonte“, und die ersten Wochen des Jahres bescherten denn auch vielen Segmenten eine steigende Nachfrage nach festverzinslichen Papieren. Auskömmliche Renditen und wieder interessante Kupons sorgen trotz zwischenzeitlicher Rückschläge für anhaltende Attraktivität. Wir rechnen für die kommenden Monate mit positiven Erträgen aus Anleihen.
Staatsanleihen wieder ertragbringend, USA bleiben vorn
Erwartungsgemäß setzten sich die Verluste des Vorjahres im sicheren Staatsanleihesegment während des ersten Quartals nicht fort. Zwar wurde die zum Jahresstart einsetzende Erholung ab Ende Januar zunächst ausgebremst, und die Renditen kletterten anschließend über die Niveaus hinaus, die sie zur Jahreswende innehatten, doch dann kehrte sich die Entwicklung erneut um. Im weiteren Verlauf sollte die laufende Verzinsung die Hauptertragsquelle darstellen, wobei eine Rolle spielt, dass sich die Inflation im angelsächsischen Raum früher als in der Eurozone auf den Rückmarsch macht. Dies führt neben einer Entspannung bei langlaufenden Anleihen auch zu einer Divergenz der Notenbankpolitiken. Die Fed und die Bank of England sollten ihre Leitzinsen nach weiterer Anhebung im zweiten Quartal schon in der zweiten Hälfte des Jahres wieder zu senken beginnen, die Europäische Zentralbank jedoch nicht. In der Eurozone erwarten wir bis zum Sommer in der Summe eine Anhebung des Hauptrefinanzierungssatzes auf 4%, ohne dass es in den Folgemonaten zu einer Wende kommt. Insgesamt hat das Segment klar an Attraktivität gewonnen, und in allen drei Währungsräumen werden wieder auskömmliche laufende Verzinsungen geboten.
Welcome back – Nachfrage nach Unternehmensanleihen steigt
Europäische Unternehmensanleihen im Investmentgrade-Segment konnten sich seit Jahresbeginn gut behaupten. Die attraktiven Risikoaufschläge und das gestiegene Renditeniveau zogen Investorengelder an. Dies führte zu einem leichten Rückgang der Risikoprämien. Auch wenn die Bewertung inzwischen etwas weniger attraktiv erscheint und das Potenzial für eine weitere Einengung der Renditeaufschläge begrenzt ist, halten wir an unserer positiven Gesamteinschätzung fest. Mit über 4% erreichten die Renditen von Unternehmenspapieren das höchste Niveau seit mehr als einem Jahrzehnt. Zudem zeigt sich, dass renditeorientierte Anleger, die im Negativzinsumfeld auf Alternativen ausgewichen sind, wieder Interesse an europäischen Unternehmensanleihen zeigen und damit die Nachfrage stärken. Diese wird teilweise durch die gut gefüllte Neuemissionspipeline gedeckt, und auch wir favorisieren weiterhin Neuemissionen, da sie einen Renditeaufschlag gegenüber ausstehenden Anleihen bieten. Zudem liegt ihr Kupon auf dem aktuellen Marktniveau, was nach Jahren sehr niedriger Kupons die Erzielung laufender Erträge stärkt (Abbildung unten links). Innerhalb der Unternehmensanleihen präferieren wir den Finanzsektor. Die Bilanzqualität europäischer Banken hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Neben einer deutlich höheren Eigenkapitalausstattung zeigt sich dies auch im Rückgang des Anteils notleidender Kredite, wie die aggregierten Daten der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zuletzt bestätigt haben. Auch sind im Vergleich zu Industrieanleihen die Renditen von Finanzpapieren höher und die Laufzeitenrisiken geringer.
Schwellenländeranleihen: Vorteil Lokalwährungen
Schwellenländeranleihen befanden sich im ersten Quartal in einem Wechselbad der Gefühle. Während der Jahresauftakt noch vielversprechend verlief und im Rahmen einer allgemeinen Liquiditätsrallye alle drei Anlagesegmente, das heißt sowohl Staats- und Unternehmensanleihen in Hartwährung als auch Lokalwährungsanleihen, nach oben spülte, setzte nach den starken US-Arbeitsmarktzahlen mit steigenden US-Renditen und einem wiedererstarkenden US-Dollar Anfang Februar eine Umkehr ein. Die Tatsache, dass sich die Marktentwicklung nicht nur in der Auf-, sondern auch in der Abwärtsbewegung über alle Anlagesegmente hinweg als sehr homogen erwies, zeigt, dass die allgemeine Risikostimmung die dominierende Kraft für die Wertentwicklung darstellte bzw. dass der Markt von der Bewegung der US-Renditen und des US-Dollars bestimmt wurde, während individuelle Länder-, Sektor- oder Währungsrisiken hintenanstanden. Wir erwarten, dass sich dies spätestens im zweiten Halbjahr ändert und der Markt an Heterogenität gewinnt. In diesem Fall rechnen wir mit Performancevorteilen im Lokalwährungssegment. Die stark gestiegenen lokalen Renditen bieten im Vergleich zum Hartwährungssegment bei geringerer Duration bereits jetzt eine attraktive laufende Verzinsung („Carry“). Sollten die Zinserhöhungszyklen in den Schwellenländern früher als in den USA und Europa auslaufen, wird neben Carry auch Preisperformance wieder an Bedeutung gewinnen. Somit erscheint uns im Laufe des Jahres im Markt für Lokalwährungsanleihen eine sukzessive Erhöhung der Duration opportun, um an dieser Entwicklung zu partizipieren.
Fazit: Chancen in allen Segmenten
Nach der erfolgten „Rückkehr des Zinses“ sehen wir in allen drei hier besprochenen Anleihesegmenten Opportunitäten. Sichere Staatsanleihen bieten wieder interessante laufende Verzinsungen, noch attraktiver allerdings ist der europäische Unternehmenssektor. Hier präferieren wir die Finanzbranche, außerdem partizipieren wir an Neuemissionen mit Renditeaufschlägen und auskömmlichen Kupons. Schwellenländer schließlich werden sich im weiteren Jahresverlauf heterogener als zuletzt entwickeln, wovon insbesondere Lokalwährungsanleihen profitieren sollten. Letztere sowie Unternehmenspapiere bleiben unsere Favoriten.
Autoren
Martin Mayer
Bei Berenberg ist er seit November 2009 als Senior Portfoliomanager mitverantwortlich für die Renten- und Stiftungsstrategie der privaten Vermögensverwaltung sowie für individuelle Multi Asset-Spezialmandate mit defensivem Schwerpunkt. Nach seiner Ausbildung zum Betriebswirt (Wirtschaftsakademie) und seinem Studium zum Dipl.-Volkswirt (Universität Hamburg) trat er 1998 in die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank ein. Dort betreute er bis 2008 individuelle Kundenportfolios für das Private Wealth Management und absolvierte 2001/2002 eine Weiterbildung zum CEFA-Investmentanalysten/DVFA. Im Sommer 2008 wechselte Mayer zur HSH Nordbank und fungierte dort als stellvertretender Leiter des Portfoliomanagements.
Felix Stern
Felix Stern begann vor mehr als 18 Jahren bei Berenberg im Asset Management als Portfoliomanager Renten. Heute leitet der Senior Portfoliomanager das Team Fixed Income Selection und ist verantwortlich für die Auswahl von Unternehmens- und Finanzanleihen sowie als Spezialist für die Selektion kurzfristiger Anleihen. Darüber hinaus ist er hauptverantwortlicher Portfoliomanager für mehrere institutionelle Publikumsfonds aus dem Hause Berenberg. Der gelernte Industriekaufmann wechselte nach mehrjähriger Tätigkeit im Bereich Market Research der British American Tobacco (Germany) GmbH Anfang 2000 in den Bereich des Fixed Income-Portfoliomanagements. Der Diplom-Kaufmann in Wirtschaftswissenschaften absolvierte sein Studium berufsbegleitend an der Fernuniversität in Hagen und erwarb zudem einen Abschluss als CCrA - Certified Credit Analyst (DFVA).