Liebe Leserinnen und Leser,
„Herausfordernd, aber mit Chancen“ hatten wir unseren Ausblick auf das Jahr 2024 betitelt. Als herausfordernd erwiesen sich vor allem das wechselnde Marktnarrativ zwischen Ängsten vor einem zu starken und einem zu schwachen US-Wachstum, die damit stark schwankenden Anleiherenditen sowie die geringe Marktbreite im ersten Halbjahr. Das ganze Jahr über rangen die Märkte mit der Frage, ob die sanfte Landung der US-Wirtschaft gelingen würde. Letztlich entwickelte sich die Konjunktur 2024 in vielen Regionen besser als noch vor einem Jahr erwartet, allen voran in den USA, und die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen stiegen trotz Zinssenkungen der Zentralbanken. Den Anlegern boten sich zahlreiche Chancen. Gold, Aktien und Industriemetalle legten zweistellig zu. Dass die Aktienmärkte neue Höchststände erreichen würden, hatten wir erwartet. Das Ausmaß hat uns jedoch überrascht. Auch fast alle Anleihesegmente verzeichneten Gewinne, allen voran Unternehmens- und Hochzinsanleihen. Anleger, die auf kurzfristige Zinsanlagen wie Termingelder setzten, hatten das Nachsehen.
Was können Anleger für das Jahr 2025 erwarten? Niedrigere Inflationsraten als in den Vorjahren, sinkende Leitzinsen vor allem in Europa und wahrscheinlich neue fiskalpolitische Impulse sprechen für ein marktfreundliches Konjunkturumfeld, solides Gewinnwachstum und eine Fortsetzung des Aktienbullenmarktes. Jedoch ist bei US-Aktien bereits viel Positives eingepreist, die Stimmung und Positionierung der Anleger sind optimistisch und die Unsicherheit mit Blick auf die US-Handels- und Außenpolitik sowie die US-Staatsverschuldung ist unter Präsident Trump hoch. Dabei weisen die Risiken für die Märkte keineswegs nur nach unten, wie etwa durch die viel diskutierten Zölle, die sinkende Zuwanderung oder die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China. Denn wenn sich beispielsweise die Lage rund um den Krieg Russlands in der Ukraine sowie im Nahen Osten entspannt, dürften die Energiepreise sinken, die Zentralbanken die Zinsen stärker senken und sich die Konjunktur insbesondere in Europa besser entwickeln. Auch eine Deregulierung unter Trump, eine neue Regierung in Deutschland oder stärkere fiskalische Maßnahmen in China könnten Impulse liefern. Vermehrte Firmenübernahmen und eine Umschichtung von Anlegergeldern aus kurzfristigen Zinsanlagen dürften zudem unterstützen.
Wir gehen daher davon aus, dass der Aktienbullenmarkt weitergeht, dass das dritte Jahr aber volatiler und schwieriger wird, mit mehr Rückschlägen und weniger Potenzial für Aktien. Insbesondere die Vereidigung Trumps könnte die Anleger vorsichtiger werden lassen. Denn das klare Wahlergebnis könnte von ihm als Auftrag verstanden werden, seine Politik zügig und ohne Abstriche durchzusetzen, was die Kapitalmärkte zumindest vorübergehend belasten könnte. Anleihen dürften 2025 nur moderat zulegen, und Gold aufgrund der erhöhten Unsicherheit und der Notenbankkäufe gestützt bleiben. Wir sind zuversichtlich, dass breite Multi-Asset-Portfolios trotz aller Unsicherheiten und Risiken auch 2025 deutlich besser abschneiden werden als kurzfristige Zinsanlagen.
Im Insights-Interview ab Seite 14 spricht Vincent Kalmes, Leiter Multi Asset Internal Advisory, darüber, wie bei Berenberg Anlageideen für das Beratungsgeschäft entwickelt und ausgearbeitet werden.
Alles Gute für 2025!
Herausgeber
Prof. Dr. Bernd Meyer
Prof. Dr. Bernd Meyer ist seit Oktober 2017 Chefanlagestratege bei Berenberg und dort im Wealth and Asset Management für die diskretionären Multi-Asset-Strategien sowie die Vermögensverwaltungsmandate zuständig. Prof. Dr. Bernd Meyer war zunächst Leiter der Europäischen Aktienstrategie bei der Deutschen Bank in Frankfurt und London und baute ab 2010 als Bereichsleiter das globale Cross Asset Strategy Research bei der Commerzbank auf. Prof. Dr. Meyer wurde mehrfach ausgezeichnet. So rangierte er mit seinem Team beim renommierten Extel Survey in den Jahren 2013 bis 2017 jeweils unter den besten drei Multi Asset Research Teams weltweit. Prof. Dr. Meyer ist DVFA Investment Analyst, CFA-Charterholder und Gastdozent für „Empirische Kapitalmarktforschung“ an der Universität Trier. Er hat zahlreiche Artikel und zwei Bücher veröffentlicht sowie drei wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten.