Auf den Punkt
UK Treasuries und UK Gilts bei Staatspapieren hoher Bonität in Lokalwährungen vorn - Bundesanleihen nicht erste Wahl
Bei europäischen Unternehmensanleihen bevorzugen wir den Investment-Grade-Bereich und meiden Zyklik.
In den Schwellenländern sehen wir besonders im Lokalwährungssegment Potenzial.
Die guten Zeiten sind nicht vorbei
Die seit rund einem Jahr disinflationäre Entwicklung sowie der zuletzt damit einhergehende Verzicht der großen Zentralbanken auf eine Fortsetzung ihrer zinspolitischen Straffung haben den Anleihemärkten jüngst ordentlich Auftrieb gegeben. Das heißt nicht, dass jetzt schwächere Zeiten folgen müssen. Im Gegenteil: Auch für das Jahr 2024 sehen wir mehrere Möglichkeiten, mit Festverzinslichen positive Erträge zu erzielen. Welche sind das im Einzelnen und welche Segmente vermeiden wir?
Sichere Staatsanleihen: Der Ausblick bietet weiterhin Chancen
Dass sich Staatsanleihen hoher Bonität mit einem positiven Abschlussquartal aus dem Jahr 2023 verabschieden, dürfte zumindest für den angelsächsischen Raum in jeweiliger Lokalwährung für die kommenden zwölf Monate wegweisenden Charakter besitzen. Zwar sind wir bezüglich der weiteren Entwicklung der Renditen im zehnjährigen Laufzeitsegment sowohl für US Treasuries als auch für UK Gilts vorsichtiger als die Konsensschätzung, doch selbst bei leicht steigenden Renditen wird die laufende Verzinsung ausreichend sein, um insgesamt positive Erträge zu erzielen. Deutsche Bundesanleihen dagegen sehen sich aufgrund ihrer niedrigeren Basisverzinsung stärkerem Gegenwind ausgesetzt. Über alle drei Währungsräume stützt allerdings unsere Erwartung, dass die Notenbanken bei weiter rückläufiger Inflation geldpolitische Spielräume nutzen und ihre Leitzinsen im Jahresverlauf senken. US Fed und Bank of England gehen dabei voraussichtlich dynamischer voran als die Europäische Zentralbank
Unternehmensanleihen: Konjunkturrisiken nicht eingepreist
Unternehmensanleihen haben konjunkturelle Risiken im abgelaufenen Jahr völlig ignoriert. Dabei entwickelten sich risikoreichere europäische Hochzinsanleihen sogar deutlich besser (+9,9 %) als der defensivere Investment-Grade-Bereich (+6,1 %). Beide Segmente profitierten von deutlich sinkenden Risikoaufschlägen und boten damit Schutz vor steigenden risikolosen Zinsen. Es zeigen sich jedoch zunehmend Risse in der Konjunktur und den Unternehmensergebnissen, und Emittenten mit schwachen Quartalsergebnissen werden mittlerweile vom Markt abgestraft. Zudem ist ein Teil der restriktiven Geldpolitik noch nicht vollständig in schwächeren Konjunkturdaten reflektiert. Dies könnte Unternehmen perspektivisch zunehmend belasten. Die Bewertung von Investment-Grade-Unternehmensanleihen erachten wir zwar im langfristigen Kontext als fair, allerdings sind die konjunkturellen Risiken in den Risikoprämien im Hochzins-Segment (High Yield) kaum eingepreist. In der Folge könnten diese insbesondere bei schwächeren Bonitäten überproportional ansteigen.
Wir bevorzugen daher den defensiveren Investment-Grade-Bereich gegenüber High Yield, auch aufgrund der überwiegend soliden Bilanzen und ausreichenden Liquiditätsreserven. Angesichts überzeugender Quartalsergebnisse und attraktiver Bewertungen halten wir ebenfalls an der Übergewichtung von Finanzanleihen fest, während wir zyklische Sektoren meiden. Auch der Blick über den Tellerrand lohnt sich weiterhin. Die Beimischung von defensiven Covered Bonds bzw. Pfandbriefen erhöht die Stabilität und Kreditqualität des Portfolios.
Schwellenländer: Lokalwährungsanleihen attraktiver denn je
Schwellenländeranleihen des Hartwährungssegments haben während des signifikanten US-Zinsanstiegs erneut ihre Standhaftigkeit bewiesen. Aktuell liegen ihre Risikoprämien nahe der Jahrestiefststände, was angesichts des Nettoabflusses aus diesem Bereich bemerkenswert ist. Mit einer Wertsteigerung von ca. 9 % seit Jahresbeginn sind die Einflussfaktoren auf der Lokalwährungsseite andere. Dieses Segment profitiert von einer hohen laufenden Verzinsung sowie von der Tatsache, dass einige Zentralbanken in den Schwellenländern bereits erste Zinssenkungen eingeleitet haben. Tatsächlich haben die Notenbanken in vielen Entwicklungsländern in diesem Zyklus entschlossener agiert als ihre Pendants in den Industrienationen. Zum Teil begannen einige Länder bereits Mitte 2021 mit Zinsanhebungen, während die US Fed ihre Zinswende erst im März 2022 eingeleitet hat. Dieser Vorsprung brachte es auch mit sich, dass die Schwellenländer ihre Zinsen auf einen insgesamt höheren Stand gebracht und länger dort belassen haben. Das versetzt sie nun in die Lage, auch früher wieder senken zu können. Einhergehend mit den signifikanten Zinsanhebungen ist die Inflation in den Schwellenländern mustergültig gefallen, was den Zentralbanken zusätzlichen Raum für Zinssenkungen bietet. Das „Höher für länger“-Narrativ bis Oktober 2023 hatte die Einpreisung dieser Option in den Schwellenländerkurven gleichwohl bisher verhindert. Bewertungstechnisch bietet sich daher eine attraktive Einstiegschance. Wir setzen in den lokalen Märkten auf Länder, die sich in einer frühen Phase des Zinszyklus befinden, zum Beispiel Brasilien und Mexiko. Im Hartwährungssegment wiederum präferieren wir langlaufende Anleihen von Emittenten guter Qualität. Darüber hinaus erwarten wir perspektivisch eine Angebotsverknappung, was die positiven Aussichten zusätzlich unterstützen dürfte.
Fazit: Alle besprochenen Segmente bieten gute Ertragschancen
Anders als im Vorjahr sollten sichere Staatspapiere in den kommenden zwölf Monaten vor allem in jeweiliger Lokalwährung außerhalb des Euroraums attraktiv sein. Europäische Unternehmensanleihen bevorzugen wir im Investment-Grade-Segment, gewichten dabei Finanzpapiere über und meiden zyklisches Exposure. Zudem wirken Pfandbriefe stabilitäts- und kreditqualitätserhöhend. In den Schwellenländern schließlich sind Lokalwährungsanleihen zu präferieren – sie profitieren von entschlossen agierenden Notenbanken, die bereits erste Zinssenkungen vollziehen.
Autoren
Martin Mayer
Bei Berenberg ist er seit November 2009 als Senior Portfoliomanager mitverantwortlich für die Renten- und Stiftungsstrategie der privaten Vermögensverwaltung sowie für individuelle Multi Asset-Spezialmandate mit defensivem Schwerpunkt. Nach seiner Ausbildung zum Betriebswirt (Wirtschaftsakademie) und seinem Studium zum Dipl.-Volkswirt (Universität Hamburg) trat er 1998 in die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank ein. Dort betreute er bis 2008 individuelle Kundenportfolios für das Private Wealth Management und absolvierte 2001/2002 eine Weiterbildung zum CEFA-Investmentanalysten/DVFA. Im Sommer 2008 wechselte Mayer zur HSH Nordbank und fungierte dort als stellvertretender Leiter des Portfoliomanagements.
Felix Stern
Felix Stern begann vor mehr als 18 Jahren bei Berenberg im Asset Management als Portfoliomanager Renten. Heute leitet der Senior Portfoliomanager das Team Fixed Income Selection und ist verantwortlich für die Auswahl von Unternehmens- und Finanzanleihen sowie als Spezialist für die Selektion kurzfristiger Anleihen. Darüber hinaus ist er hauptverantwortlicher Portfoliomanager für mehrere institutionelle Publikumsfonds aus dem Hause Berenberg. Der gelernte Industriekaufmann wechselte nach mehrjähriger Tätigkeit im Bereich Market Research der British American Tobacco (Germany) GmbH Anfang 2000 in den Bereich des Fixed Income-Portfoliomanagements. Der Diplom-Kaufmann in Wirtschaftswissenschaften absolvierte sein Studium berufsbegleitend an der Fernuniversität in Hagen und erwarb zudem einen Abschluss als CCrA - Certified Credit Analyst (DFVA).