Auf den Punkt
Putins Krieg: Höhere Preise für Energie- und Nahrungsmittel treffen Verbraucher und Unternehmen.
Aber der Ausblick hat sich etwas aufgehellt: Europas Gasspeicher sind voll, der Inflationsdruck hat in den USA seinen Höhepunkt überschritten, in Europa steht dies bald bevor.
Notenbanken treten auf die Bremse – aber das Ende des Zinszyklus kommt in Sicht.
Milde Rezession in den USA, harter Winter in Europa.
Die Lage ist zwar schlecht …
Zum Ausklang des Jahres 2022 bleibt die Lage schwierig. Die US-Konjunktur verliert an Schwung, Europa steckt offenbar bereits in einer Rezession und China bekommt seine inneren Probleme nicht in den Griff. Viele Schwellenländer leiden unter höheren Zinsen, einem überbewerteten US-Dollar und einem schwächelnden Welthandel. Da viele Notenbanken ihre Zinspolitik im Dezember noch einmal gestrafft haben und die radikale geldpolitische Wende des Jahres 2022 ihre volle Wirkung erst im Verlaufe des kommenden Jahres entfalten dürfte, wird die Weltwirtschaft in den kommenden Monaten wohl noch mehr als bisher ins Stottern geraten.
...aber der Ausblick hat sich etwas aufgehellt
Schlechte Nachrichten zur Weltkonjunktur dürften kaum noch einen Anleger überraschen. Stattdessen steigen die Chancen, dass der Rückschlag etwas weniger hart ausfallen könnte, als es sich vor drei Monaten abgezeichnet hatte. Dies hat vor allem zwei Gründe:
Erstens ist es Europa gelungen, seine Gasspeicher zum Beginn der Heizsaison fast bis zum Rand zu füllen, obwohl Russland die wichtigsten Pipelines geschlossen hat. Das Risiko, dass Gas in diesem Winter zwangsweise rationiert werden muss, hat abgenommen. Da Europa besser für den Winter gerüstet ist als erwartet, haben auch die Marktpreise für Gas und Strom seit dem Spätsommer nachgelassen.
Zweitens hat die Inflation in den USA offenbar ihren Höhepunkt überschritten. Damit sinkt das Risiko, dass die US-Notenbank ihren Leitzins im kommenden Jahr auf deutlich über 5% heraufsetzen wird. Das Ende des Zinszyklus ist zwar noch nicht ganz erreicht, aber es ist deutlich näher gerückt.
Europa: Rezession bis zum Frühling 2023
Das Hochschnellen der Preise für Energie und Nahrungsmittel hat die europäische Konjunktur hart getroffen. Nachdem die Verbraucher sich im Sommer nach zwei Jahren Corona eine gute Urlaubssaison gegönnt hatten, ist die Region im vierten Quartal offenbar wie erwartet in eine Rezession abgeglitten. Angesichts der hohen Energiekosten werden die Verbraucher im Winter ihre Ausgaben für andere Güter und Dienstleistungen vermutlich erheblich einschränken. In der Rezession dürften auch die privaten Investitionen und der Außenhandel mit Waren zurückgehen. Angesichts der weiterhin hohen Nachfrage nach Arbeitskräften wird die Arbeitslosigkeit aber nur geringfügig steigen.
Neuer Aufschwung im Sommer 2023
Wenn der Winter überstanden ist und der Gasmarkt sich dann etwas weiter entspannt hat, kann die Euro-Konjunktur im Sommer 2023 wieder anspringen. Ab dann könnte auch der Anstieg der Einkommen wieder oberhalb der Inflationsrate liegen, sodass die Verbraucher real wieder etwas mehr Geld in der Tasche haben. Sobald die vermutlich milde US-Rezession im Herbst 2023 ausläuft, könnten auch die Ausfuhren wieder zulegen. Nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um etwa 0,3% im Jahr 2023 erwarten wir für 2024 ein Wachstum von 2,0%. Insgesamt rechnen wir mit einem in etwa V-förmigen Wiederaufschwung, wie es nach externen Schocks üblich ist. Für Großbritannien rechnen wir mit einem ähnlichen Verlauf wie für die Eurozone.
Transatlantischer Unterschied
Anders als Europa leiden die USA vor allem unter einer hausgemachten Inflation. Mit ihrer späten, aber umso energischeren Zinswende wird die Fed die Nachfrage voraussichtlich so dämpfen, dass die US-Konjunktur Anfang 2023 stagniert und die USA danach bis zum Herbst 2023 in eine milde Rezession fallen – bei rückläufigem Konsum und weniger Investitionen vor allem im Wohnungsbau. Für China zeichnet sich ab, dass das Land seine rigide Null-Covid-Politik langsam lockern wird. Spätestens wenn im Frühjahr 2023 die saisonalen Ansteckungsrisiken wieder abnehmen, könnte die Konjunktur sich dort wieder stabilisieren.
Milde US-Rezession, harter Winter in Europa – gefolgt von einem Aufschwung im Sommer
Die höchste Inflation seit 40 Jahren
In den USA hat der Preisdruck seinen Höhepunkt offenbar bereits überschritten. Während die Lohnzuwächse zunächst hoch bleiben, entlasten etwas geringere Preise für Benzin und Gebrauchtwagen die Verbraucher. Auch bei einigen Dienstleistungen zeichnet sich eine Wende ab. Da der Arbeitsmarkt allmählich an Schwung verliert, könnte auch der Lohndruck langsam abnehmen. Anders als in den USA müssen viele Verbraucher in Europa sich im Januar aber noch einmal auf höhere Strom- und Gaspreise einstellen, auch wenn Regierungen den Schock teilweise abfedern werden.
Im kommenden Jahr könnten die Inflationsraten auf beiden Seiten des Atlantiks spürbar zurückgehen. Dann fällt der Anstieg der Energiepreise des Jahres 2022 schrittweise aus dem Vorjahresvergleich heraus. Die Winterrezession in Europa und der sich abzeichnende Dämpfer für die US-Konjunktur können im Zeitablauf erheblich dazu beitragen, die aktuellen Lieferkettenprobleme weitgehend zu lösen. Auch Transportkosten werden vermutlich weiter sinken. Das hilft, sowohl die Inflation zu dämpfen als auch die Auftriebskräfte wieder zu stärken.
Zentralbanken steuern um – Zinsgipfel in Sicht
Damit die hohe Inflation sich nicht verfestigt, treten die Fed und – etwas zögerlicher – auch die EZB auf die Zinsbremse. In den USA könnte der Leitzins Anfang 2023 5,25% erreichen. Sobald die Fed genügend Anzeichen sieht, dass die Rezession den Inflationsdruck hinreichend gedämpft hat, wird sie dann die Zinsen wieder etwas senken, voraussichtlich beginnend in H2 2023. Allerdings wird die Fed dies vorerst nicht in Aussicht stellen. Die EZB könnte ihren Hauptrefinanzierungssatz bis März 2023 auf 3.5% anheben, gefolgt von einer rezessionsbedingten Pause für den Rest des Jahres 2023 und einer Reduktion auf 3% bis Mitte 2024.