Horizonte Q1│2023 - Aktien

Volatile, limitierte Aufwärtsbewegung

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das erste Quartal 2023.

Auf den Punkt

  • Gewinnerwartungen dürften im Einklang mit schlechteren Konjunkturdaten weiter reduziert werden.

  • Bewertungen sind jüngst wieder gestiegen, vor allem für US-Aktien. In 2023 dürfte es keine wesentliche Bewertungsausweitung geben. Europa und Asien sind relativ attraktiver.

  • Größere Abverkäufe sind 2023 auch wahrscheinlich. Jedoch dürfte der Markt sich Ende 2023 auf 2024 fokussieren und damit begrenztes Aufwärtspotenzial haben.

Europäische Aktien im vierten Quartal deutlich vorne

Ein bisher milder Winter, robuste Konjunkturdaten sowie die Hoffnung auf einen deutlichen Rückgang der Inflation und damit einhergehend eine weniger restriktive Zentralbankpolitik haben Aktien beflügelt. Insbesondere europäische Aktien profitierten von der Erholungsrallye, begünstigt durch eine erfreuliche Q3-Berichtssaison, einem Short-Covering und einer relativ günstigen Bewertung. US-Aktien gewannen auch hinzu, jedoch deutlich weniger, belastet auch durch die USD-Schwäche in Q4. Asiatische Schwellenländeraktien gehörten mit einem Plus von 3,5% in Q4 ebenfalls zu den Underperformern.

Wohl kein Gewinnwachstum 2023

Seit Jahresanfang sind die 2023er-Gewinnwachstumsschätzungen für die Industrienationen um moderate 4 Prozentpunkte gefallen. Der Konsens geht nun von einer Wachstumsrate von 4% für die Unternehmensgewinne 2023 aus. Angesichts der drohenden Rezessionen in vielen Regionen im Jahr 2023 halten wir die Konsensusschätzungen nach wie vor für zu optimistisch. Zumal nächstes Jahr die Gewinnmargen der Unternehmen fallen dürften, beispielsweise durch höhere Gehalts- und Refinanzierungskosten sowie eine erhöhte Planungsunsicherheit (Währungsvolatilität, China, Russland etc.). Realistische Schätzungen dürften unserer Meinung nach mindestens 5% niedriger liegen. Sollte es doch zu einer stärkeren und lang andauernden Rezession kommen, was unsere Volkswirte nicht erwarten, dürften die Gewinnschätzungen um deutlich mehr als 10% fallen. Die bald losgehende Q4-Berichtssaison dürfte eine Indikation geben, wohin die Reise geht, auch wenn die nachlaufenden Effekte der ausgeprägten Straffungspolitik der Zentralbanken wohl erst in späteren Quartalen sichtbar sein werden.

Rezession wieder ausgepreist

In Q3 2022 hatte der Markt zumindest in vielen Bereichen bereits eine milde Rezession eingepreist. Für Europa war der Bewertungsabschlag sogar höher. Nach der zunehmenden Hoffnung auf eine zeitnahe Fed-Kehrtwende und einem „Soft Landing“ sind die Bewertungen, insbesondere in den USA, wieder in die Höhe geschossen. So handelt der S&P 500 momentan auf einem Forward-KGV von 18,3 und damit höher als im Durchschnitt der letzten 35 Jahre, trotz des massiven Realzinsanstiegs dieses Jahres und der gestiegenen relativen Attraktivität von Anleihen. Ein wesentlicher Grund dürfte der verhältnismäßig große Anteil an nicht-fundamentalen Investoren für US-Aktien sein. Große Nachfrager sind neben den Unternehmen in Form von Aktienrückkaufprogrammen der US-Altersvorsorgemarkt, der primär mittels Indexprodukten, unabhängig von Bewertungsniveaus, in Aktien investiert.

Aktien haben sich in der Breite in Q4 deutlich erholt, vor allem europäische Papiere legten zu

Zeitraum: 13.12.2017 - 13.12.2022
Quelle: Bloomberg * KBV = Kurs-Buchwert-Verhältnis; Div. = Dividendenrendite (%); KGV = Kurs-Gewinn-Verhältnis. Werte basieren auf Schätzungen für die nächsten 12 Monate

Größere Rückschläge auch 2023 wahrscheinlich

Auch wenn das Aufwärtspotenzial nächstes Jahr begrenzt sein dürfte, dürften sich vor allem europäische und asiatische Aktien im Jahr 2023 freundlich entwickeln, da für beide Regionen schon deutlich mehr Negatives als in den USA eingepreist ist. Entsprechend höher ist die „Margin of Safety“. Zudem dürften beide Regionen noch von nachlaufenden Effekten der USD-Stärke profitieren, während US-Exporteure eher darunter leiden dürften. Und was die Konjunktur anbelangt, sind unsere Ökonomen jüngst optimistischer geworden und rechnen nun mit einer etwas weniger tiefen Rezession in der Eurozone. Nichtsdestotrotz dürften die Aktienmärkte im Laufe des Jahres 2023 auch wieder stärkere Rückschläge erleben, nicht zuletzt wegen negativer Gewinnrevisionen und der quantitativen Drosselung der Zentralbanken. Dies gilt besonders dann, wenn die systematischen Strategien aufgrund der jüngst gefallenen Volatilität und des besseren Preismomentums Aktien weiter in 2023 hinein aufstocken. Das macht die Märkte dann wieder anfälliger. Da der Markt Ende 2023 bereits auf ein wahrscheinlich konjunkturell deutlich besseres 2024 schauen wird, dürften sich die Aktienmärkte von ihren Rückschlägen jedoch erholen. Wir rechnen mit einer volatilen, limitierten Aufwärtsbewegung bei Aktien in 2023. Für Aufwärtspotenzial 2023 spricht auch der US-Präsidentschaftszyklus. Das dritte Jahr nach den US-Wahlen ist gewöhnlich das mit Abstand stärkste Aktienmarktjahr.

Aktien gewöhnlich im dritten Jahr des US Election Cycle stark

S&P-500-Entwicklung in Abhängigkeit von den US-Wahlen. Jahr 3 stellt das dritte Jahr nach den US-Wahlen, die im November alle vier Jahre stattfinden, dar.

Zeitraum: 31.12.1932–31.12.2020
Quelle: Bloomberg, Berenberg

Prognoseübersicht: Aktien mit leichtem Aufwärtspotenzial 2023

Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zur Jahresmitte 2023 und zum Jahresende 2023

* Durchschnitt, Konsensus Bottom-up per 15.12.2022
Quelle: Bloomberg, Factset, Berenberg

Was die Unternehmen bewegt

Der Blick Richtung 2023

Ein schwieriges Aktienjahr neigt sich dem Ende zu. In unseren vielen Jahresschlussgesprächen, geführt unter anderem bei Berenbergs ausgesprochen gut besuchter Penny Hill Konferenz, richtete sich unser Blick in die Zukunft. So hörten wir aus der für uns wichtigen Halbleiterindustrie, die zuletzt vor allem getrieben von einer niedrigeren Nachfrage nach PCs und Smartphones eine Schwächephase gesehen hatte, dass für Mitte 2023 eine Erholung zu erwarten sei. Das ist auch getrieben von einer weiterhin robusten Nachfrage aus der Autoindustrie, die nämlich an einer anhaltenden Halbleiterknappheit leidet. Ansonsten hörten wir aber aus den verschiedensten Wirtschaftszweigen, dass sich Lieferengpässe weiter auflösen sollten, was sich dann auch in einer Schwächung vieler Inflationstreiber – wie z.B. Frachtraten – widerspiegeln dürfte. Damit einhergehen wird allerdings auch das Auflösen von bestehenden Lagerbeständen. Etwas, das vor allem im Industriebereich Kopfschmerzen bereitet. In der Konsumgüterindustrie erwarten die Hersteller von Waren des täglichen Gebrauchs eine anhaltende Schwächephase und einen Trend hin zu "White Label" Produkten. Die Nachfrage nach Luxusgütern ist hingegen ungebrochen und sollte im kommenden Jahr vom Ende Chinas Null-Covid-Strategie profitieren.

- Matthias Born, CIO Aktien

Autor

Urbahn Ulrich
Ulrich Urbahn
Leiter Multi Asset Strategy & Research