Bedeutung der Immobilienwirtschaft
Die Immobilienwirtschaft trug im Jahr 2023 mit mehr als 730 Milliarden Euro und somit fast 20 Prozent zur gesamten Bruttowertschöpfung innerhalb Deutschlands bei und ist damit eine der größten Wirtschaftszweige. Mit ihrer hohen Beschäftigungsquote und ausgeprägten Wertschöpfung spielt sie eine Schlüsselrolle in der Wirtschaft. Das deutsche Nettoanlagevermögen in Wohn- und Nichtwohnbauten betrug 2022 rund 12,1 Billionen Euro. Zusammen mit den Grundstückswerten (7,3 Billionen Euro) summiert sich das gesamte deutsche Immobilienvermögen auf knapp 19,4 Billionen Euro. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands belief sich im Jahr 2023 auf knapp 4,1 Billionen Euro. Belegt wird die große Bedeutung der Immobilienwirtschaft und ihre Verzahnung mit der Finanzwirtschaft auch dadurch, dass der Bestand an Krediten für den Bau von Wohnungen und für gewerbliche Immobilien im Jahr 2023 über 2,1 Billionen Euro betrug – mehr als die Hälfte des deutschen BIP entspricht.
Die Lage an den Immobilienmärkten hat sich seit 2022 grundlegend verändert und erlebte einen disruptiven Wandel. Die historische Nullzinsphase der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde im Juli 2022 beendet und führte zu einem abrupten Anstieg des Leitzinses (Hauptrefinanzierungssatz) mit dem maximalen Anstieg auf 4,5% im September 2023. Aus dem Zinsanstieg in Kombination mit einer starken Inflation resultierte ein Preisverfall für Immobilien und auch eine starke Reduzierung der Marktbewertungen, die Neugeschäftsvolumina in der Kreditvergabe von Banken sind eingebrochen und die über die vergangenen Jahre gewachsenen Immobilienkreditportfolios der Kreditinstitute und institutioneller Investoren stehen unter Druck, da ebenfalls die Werte der Kreditsicherheiten gefallen und neu bewertet worden sind. So erfuhren Immobilienfonds im Zweitmarkt u.a. signifikante Abschläge. Ergänzend hat die Regulatorik auf Seiten der Kreditinstitute zu einer weiteren Einschränkung geführt.
Wer kauft Immobilien in Deutschland?
Typische professionelle Käufergruppen von Immobilien sind Asset- bzw. Fondsmanager, Versicherungen, Versorgungswerke, Pensionskassen, Banken (Depot A) und (Single) Family Offices. Allein das Immobiliensachvermögen von inländischen Immobilienfonds, deutschen Altersvorsorgeeinrichtungen und Versicherungen beträgt ca. 330 Mrd. €. Aufgrund der bereits beschrieben Marktentwicklungen in den vorangegangenen Krisenjahren ist das Investmenttransaktionsvolumen vom Spitzenjahr 2019 um über 81% auf ca. 8 Mrd. € im Jahr 2023 gesunken. Im gleichen Zuge ist der Büroleerstand von ca. 3,6% auf ca. 6,6% angestiegen. Diverse Käufergruppen, insbesondere Versicherungen, Versorgungswerke und Pensionskassen haben sich aufgrund des Denominator-Effektes und den damit verbunden regulatorischen Anforderungen zur Sicherung der Liquidität durch Reallokation aktuell aus dem Markt als potenzielle Käufer zurückgezogen. Demnach sind im Schwerpunkt (Single) Family Offices und ausländische Investoren wesentliche Käufergruppen.
Wer finanziert noch Immobilien in Deutschland?
In den letzten Jahren hat sich ein kontinuierliches Bankensterben in Deutschland fortgesetzt, welches aufgrund zunehmender struktureller Veränderungen, regulatorischen Belastungen und wachsendem digitalen Wettbewerb geprägt war. Im Jahr 2009 waren noch über 2.100 Institute gemeldet, im Jahr 2023 gab es nur noch ca. 1.400 Bankhäuser. Banken sind aufgrund Ihrer vielfältigen regulatorischen Anforderungen restriktiver bei der Kreditvergabe, insbesondere für riskantere Immobilienprojekte und Projektentwicklungen, da diese zukünftig eine erhöhte Eigenkapitalhinterlegung erfordern. Die neuen Vorschriften beziehen sich auf sämtliche Finanzierungsarten und betreffen alle Banken – unabhängig davon, ob diese aktuell Standardansätze oder interne Modelle zur Ermittlung ihrer risikogewichteten Aktiva (RWA) anwenden. In Folge des Anstiegs der Mindestkapitalanforderungen sinkt die harte Kernkapitalquote bei einer Vollumsetzung des finalen Basel III-Reformpakets von aktuell 17,7% auf 14,0% [Vgl. Bundesbank]. Dies führt dazu, dass alternative Kreditgeber, einschließlich Real Estate Private Debt Fonds, zunehmend eine Finanzierungslücke schließen werden. Allein für das kommende Jahr 2025 wird von auslaufenden gewerblichen Immobilienkrediten in Europa von ca. 150 Mrd. Euro ausgegangen und zunehmend wird mit steigenden Non Performing Loans (NPL) gerechnet. Die zu erwartende Refinanzierungslücke kann folglich nicht ohne alternative Kreditgeber geschlossen werden. Der Fokus wird zunehmend im Produktbereich von Whole-Loan-Finanzierungen gesetzt. Die neue Loan-to-Value-Grenze - aufgrund des ab 01. Januar 2025 geänderten Kreditrisikostandardansatz (KSA) bei Kreditinstituten - liegt bei 55% bezogen auf den Beleihungswert der Immobilie. Über dieser Grenze liegende Kredite werden als unbesicherte Kredite verbucht. Insbesondere für gewerbliche Immobilienfinanzierungen steigen die Kapitalanforderungen. Insgesamt bewegt sich der Markt auf eine Kreditklemme zu. Den betroffenen Instituten bleiben nur die Optionen Ihre RWA´s abzubauen, Ihren Gewinn zu steigern oder Ihre Eigenkapitalposition zu erhöhen.
Was hat der Zins damit zu tun?
Aktuell befindet sich der Markt in einer inversen Zinsstruktur. Die EZB hat Ihre Anleihenkäufe zurückgefahren bzw. baut die bestehenden Positionen sukzessive ab. Weitere Zinssenkungen werden überwiegend am Immobilienmarkt erwartet. Die Regulatorik wirkt trotz Zinssenkung, dem Anstieg der Immobilienpreise und des damit verbunden schnellen Wiedererwachen des Immobilienmarktes entgegen. Die aktuell in Umsetzung befindliche Regulatorik wurde geschaffen, als noch das Niedrigzinsumfeld vorherrschend war und entfalte sich jetzt in einem anderen Marktumfeld. Eine erste positive aufgenommene Entwicklung des Marktes hat mit den Zinsentscheidungen der EZB seit Juni 2024 begonnen. Die EZB hat den Hauptrefinanzierungssatz auf 3,4% in mehreren Schritten gesenkt.
Fazit
Insgesamt befindet sich der gesamten Immobilien(finanzierungs)markt in einer Umbruchphase. Es zeigen sich zunehmend Opportunitäten für Investmentobjekte auf der Käuferseite und auch im Bereich der Projektentwicklung können u.a. durch die gezielte Nutzung von Förderungen und Abschreibungen wieder attraktive Margen erreicht werden. Ebenfalls sind Immobilienbestände weiterhin begünstigt im Betriebsvermögen für Schenkungen und Erbschaften. Auch durch die restriktivere Kreditvergabepolitik der Kreditinstitute, wird das Feld zunehmend für alternative Finanzierungspartner geöffnet.
Angesichts des derzeitigen Marktumfeldes stellt sich abschließend die Frage: Wohin führt uns dieser Weg, und welche Rolle können Family Offices in der Zukunft einnehmen? Es ist klar, dass sich der Immobilienmarkt im Wandel befindet und Family Offices hier eine zentrale Rolle spielen (können) – nicht nur als Kapitalgeber, sondern auch als langfristige strategische Investoren und Eigentümer, da Sie als eine der wenigen Akteure am Immobilienmarkt weiterhin zu den sich verändernden Bedingungen agieren können.