Volkswirtschaft

USA wendet sich ab - Europa reagiert

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das zweite Quartal 2025.

Auf den Punkt

  • Deutschland: Regierung in spe legt sofort los.

  • Europa: Trump bedroht die Wachstumserholung.

  • EZB: Autopilot ist ausgeschaltet.

  • USA: Trump schwingt die Zollkeule.

Deutschland hat gewählt

Dass Union und SPD bei der Bundestagswahl genügend Stimmen erhalten haben, um als Zweierbündnis die neue Bundesregierung zu bilden, ist eine gute Nachricht. Das wird die Koalitionsverhandlungen im Vergleich zu einer Dreierkoalition beschleunigen und die Zusammenarbeit in der neuen Regierung erleichtern. In Berlin scheint man derweil verstanden zu haben, dass die aktuellen Herausforderungen für Deutschland gewaltig sind, und so einigten sich die Koalitionspartner in spe bereits eineinhalb Wochen nach der Wahl auf umfangreiche Änderungen in der Finanzpolitik, die mit Hilfe der Stimmen der Grünen noch im alten Bundestag mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet wurden. Die Reformen beinhalten, dass Verteidigungsausgaben über 1 % des BIP von der Schuldenbremse ausgenommen werden, die Länder Kredite in Höhe von 0,35 % des BIP aufnehmen dürfen und ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturausgaben in den nächsten zwölf Jahren geschaffen wird. Die überfälligen Investitionen in diesen beiden Bereichen sind damit auf absehbare Zeit finanziert. Darüber hinaus bleibt es aber unerlässlich, dass die neue Regierung nach ihrer Vereidigung darüber hinaus dringend notwendige Strukturreformen auf den Weg bringt, um die deutsche Wirtschaft nachhaltig auf Wachstumskurs zu bringen. Dazu gehören Bürokratieabbau, Sozialreformen, Senkung der Unternehmenssteuern und eine Neuausrichtung der Zuwanderungs- und Energiepolitik. Allerdings wird es noch einige Zeit dauern, bis sich die geplanten Mehrausgaben und mögliche Reformen in der Realwirtschaft bemerkbar machen, so dass wir für Deutschland in diesem Jahr nur mit einem BIP-Wachstum von 0,2 % rechnen, bevor es sich im nächsten Jahr auf 1,4 % beschleunigen könnte.

Trump gefährdet die Erholung des Wachstums in der Eurozone

Nachdem die Wirtschaft im Euroraum im letzten Quartal 2024 nur noch um 0,2 % gegenüber dem Vorquartal gewachsen ist, sind die Ampeln an einigen Problembaustellen auf dem Kontinent zuletzt auf Grün umgesprungen. Frankreich hat endlich einen Haushalt für 2025 verabschiedet und Deutschland wird aller Voraussicht nach relativ bald wieder eine funktionierende Regierung haben. Für konjunkturellen Rückenwind sorgt zudem, dass die EZB die Zinsen weiter senkt und die Löhne in der Eurozone seit geraumer Zeit stärker steigen als die Preise. Die Stimmung der europäischen Unternehmen hat sich bereits etwas aufgehellt. Noch steht der Aufschwung aber auf wackeligen Beinen, denn die Unsicherheiten auf globaler Ebene haben zuletzt merklich zugenommen. Zum einen hat sich die geopolitische Bedrohungslage für den Euroraum deutlich verschärft, seitdem sich die USA von Europa und der Ukraine abgewandt und Russland zugewandt haben. Zum anderen belässt es Trump beim Thema Zölle nicht nur bei Drohungen, sondern hat zuletzt die Einfuhrabgaben für Waren aus China erhöht, Mexiko und Kanada könnten Anfang April folgen. Zudem hat der US-Präsident neben reziproken Zöllen für alle Handelspartner auch Importzölle in Höhe von 25 % auf Waren aus der EU angekündigt. Ausgleichszölle wären zwar für einzelne Branchen in Europa, wie z.B. die Automobilindustrie, schmerzhaft, da die Zolldifferenz zwischen der EU und den USA nicht sehr hoch ist, wären die Auswirkungen jedoch insgesamt überschaubar. Zölle in Höhe von 25 % auf EU-Importe wären dagegen in ihrer Wirkung deutlich verheerender und Brüssel würde vermutlich mit Gegenzöllen reagieren. Ein solcher Handelskonflikt könnte die derzeit positive Dynamik in der Eurozone wieder zum Erliegen bringen. Die sehr unsichere Lage macht es auch der Europäischen Zentralbank schwer, sich ein klares Bild über die weitere Konjunktur- und Inflationsentwicklung in diesem Jahr zu machen. Zwar haben die Währungshüter in Frankfurt am 6. März den Einlagensatz noch einmal um 25 Basispunkte auf 2,5 % gesenkt, sich darüber hinaus aber alle Optionen offengehalten. Dass die EZB ihre Geldpolitik nun als „spürbar weniger restriktiv“ bezeichnet, bestärkt uns in unserer Einschätzung, dass sie am 17. April stillhalten wird, bevor sie ihren Einlagensatz am 5. Juni ein letztes Mal auf dann 2,25 % senken. Sollten sich allerdings bis dahin die Wachstumsaussichten für den Euroraum aufgrund der Handelskonflikte mit den USA deutlich eintrüben, könnte die EZB zu weiteren Zinssenkungen gezwungen sein.

EU-US Zolldifferenz niedrig bei wichtigen EU-Exporten in die USA

Differenz zwischen den WTO-Durchschnittszöllen der EU und USA für die 5 wichtigsten Warengruppen aus EU-Sicht im Jahr 2023

5 wichtigsten industriellen Warengruppen gemäß dem Anteil an den Gesamtexporten der EU in die USA.
Quellen: WTO, UN Comtrade, Institut der deutschen Wirtschaft

Zentralbanken sind fast am Ziel

Leitzinssätze in der Eurozone und den USA in %

Obergrenze des Fed-Funds-Zielsatzes, Geldmarktsatz der EZB bis 2017, danach Einlagesatz. Graue Fläche: Prognosen.
Quellen: EZB, Fed, Berenberg-Prognosen

US-Wirtschaft brummt, aber Trumps Politik birgt Risiken

Die US-Konjunktur verliert kaum an Schwung. Das BIP wuchs im vierten Quartal auf das Jahr hochgerechnet um 2,3 % gegenüber dem Vorquartal, und auch wenn einzelne Konjunkturindikatoren zuletzt etwas enttäuscht haben, scheint die US-Wirtschaft insgesamt weiterhin in einer recht robusten Verfassung zu sein. Die neue Regierung baut Regulierungen ab und will Steuern senken. Beides kann kurzfristig die Konjunktur weiter stützen. Die aggressive Einwanderungs- und Handelspolitik stiftet jedoch Unruhe und birgt mittelfristig deutliche Risiken für die US-Wirtschaft. Eine geringere Zuwanderung verknappt das Arbeitskräfteangebot und lässt die Lohninflation, insbesondere im Dienstleistungssektor, steigen. Auch die hohen Zölle werden das Preisniveau in den USA erhöhen. Sollten tatsächlich Zölle in Höhe von 25 % auf Warenimporte aus Kanada und Mexiko (und 10 % auf kanadische Energie) verhängt werden, kombiniert mit Zöllen in Höhe von 20 % auf Importe aus China, gehen wir davon aus, dass dies die Kerninflationsrate in den USA bis Ende 2025 um etwa 0,6 Prozentpunkte ansteigen lassen könnte. Neben den bereits verhängten Zöllen droht Trump derzeit mit einer Reihe zusätzlicher Zölle, die den Effekt auf die US-Inflationsrate weiter erhöhen würden. Dies wären schlechte Nachrichten für die Fed, da sich die Kerninflation bereits jetzt seit einem Dreivierteljahr auf einem Niveau von knapp über 3 % seitwärts bewegt. Wir gehen daher davon aus, dass die US-Notenbank die Leitzinsspanne bei 4,25 bis 4,50 belassen und keine weiteren Zinssenkungen vornehmen wird. Sollte Präsident Trump seine weitreichenden Zolldrohungen wahr machen, könnte die Fed im Jahresverlauf sogar gezwungen sein, das Zinsniveau wieder etwas anzuheben. Insgesamt erwarten wir für die USA in diesem Jahr ein sehr solides Wirtschaftswachstum in Höhe von 2,6 %. In den kommenden Jahren werden sich jedoch der Arbeitskräftemangel und der Protektionismus zunehmend auf die Konjunkturdynamik auswirken. Für 2026 wird daher ein BIP-Wachstum von 2,2 % erwartet, gefolgt von 1,8 % im Jahr 2027.

Wachstums- und Inflationsprognosen

*Berenberg-Daten zu tatsächlichen Wechselkursen, nicht nach Kaufkraftparitäten (KKP). KKP messen den schnell wachsenden Schwellenländern mehr Gewicht bei.
**Durchschnitt, Bloomberg-Konsens per 18.03.2025.

Autor

Dr. Felix Schmidt
Leitender Volkswirt