Auf den Punkt
Die politische Unsicherheit und US-Wachstumssorgen dürften anhalten, eine Wirtschaftsschwäche dort ist wahrscheinlicher geworden, eine Rezession sehen wir jedoch nicht.
Die starke Outperformance Europas könnte zunächst ins Stocken geraten. Mittelfristig hat sie aber weiteres Potenzial.
Die Inflationsrisiken sind weiter gestiegen. Gold und Industriemetalle bleiben gefragt.
Stärkere Rückschläge bei Aktien in den kommenden Monaten dürften mittelfristig Chancen bieten.
Risiken: stärker als erwarteter US-Abschwung, steigende Inflation, keine tragfähige Lösung im Russland-Ukraine-Krieg.
Portfoliopositionierung auf einen Blick
Wir haben das neue Jahr mit einer Übergewichtung von Aktien und Rohstoffen gegenüber Anleihen und Kasse begonnen. Nach dem starken Jahresauftakt bei Aktien und Rohstoffen nahmen wir ab Ende Januar einige Gewinne mit. Wir reduzierten Aktien auf neutral und schlossen die Übergewichtung in den USA sowie die Untergewichtung in den Schwellenländern. Damit waren wir ausgewogen positioniert, als die Volatilität an den Aktienmärkten zunahm. Eine ausgewogene Portfolioaufstellung mit Blick auf Aktien und Anleihen bleibt angesichts der wirtschaftlichen und politischen Risiken ebenso angemessen wie unsere Übergewichtung in Rohstoffen mit Fokus auf Edel- und Industriemetallen. Nach der starken Outperformance Europas haben wir vorerst keine regionalen Präferenzen, da sich die finanziellen Rahmenbedingungen in den USA wieder verbessern. Die Renditen von US-Staatsanleihen sind deutlich gesunken und angesichts der Inflationsrisiken wenig attraktiv. In Europa sind die Anleiherenditen deutlich gestiegen, dank steigender Staatsverschuldung und positiver Konjunkturimpulse. Wir bleiben vorerst vorsichtig und bevorzugen weiterhin Unternehmensanleihen, insbesondere aus dem Finanzsektor, sowie Lokalwährungsanleihen aus den Schwellenländern. Letztere profitieren vom schwächeren US-Dollar, von einem möglichen Frieden in der Ukraine und mehr Wachstum in China.
Berenberg Asset-Allokation

Rückblick erstes Quartal: Europa überrascht viele
Zu Beginn des Jahres beherrschte die These „höher für länger“ die Finanzmärkte. Wachstum war eine ausgemachte Sache. Fast alle Anlagen entwickelten sich im Januar positiv. Doch als Trump ab Mitte Februar richtig loslegte, wurde es erwartungsgemäß ungemütlich, die Volatilität stieg mit der politischen Unsicherheit an, und die Anleger begannen, alles in Frage zu stellen. Die Nachzügler der letzten Jahre, Aktien aus Europa und den Schwellenländern (v. a. China, Osteuropa) überraschten mit kräftigen Kursgewinnen. US-Aktien, die Gewinner der letzten beiden Jahre und zu Jahresbeginn vom Marktkonsens übergewichtet, gaben deutlich nach, insbesondere der Technologiesektor und die Glorreichen 7. Gold, Industriemetalle, Energierohstoffe (Gas) und Anleihen entwickelten sich besser als der Weltaktienindex. Die Anleiherenditen sanken in den USA aufgrund zunehmender Wachstumsängste und stiegen in Europa, insbesondere in Deutschland, aufgrund der Ankündigung einer massiven Neuverschuldung für Verteidigung und Infrastruktur. Der US-Dollar wertete folglich ab. Innerhalb der Anleihen entwickelten sich die von uns bevorzugten Lokalwährungsanleihen aus den Schwellenländern am besten.
Trumps politische Unsicherheit sorgt für zunehmende Volatilität
Die wirtschaftspolitische Unsicherheit in den USA ist auf dem zweithöchsten Niveau seit 1990. Die Schwankungsbreite von Aktien legte ab Mitte Februar zu.
Konjunktur und Politik sprechen weiter für zähen Bullenmarkt
Unsere Erwartungen für die Konjunktur und die Finanzmärkte im Jahr 2025 haben sich seit Jahresbeginn kaum verändert. Die Weltwirtschaft dürfte ähnlich wie 2024 wachsen, in den USA etwas schwächer als im Vorjahr und in Europa etwas stärker. Die Notenbankzinsen sinken zunächst weiter (Europa) bzw. die Senkungen des letzten Jahres wirken noch positiv (USA). In diesem Umfeld dürften die Unternehmensgewinne steigen, Unternehmensübernahmen zunehmen, Anlegergelder aus kurzfristigen Zinsanlagen umgeschichtet werden und damit der Bullenmarkt bei risikobehafteten Anlagen anhalten. Nach zwei guten Aktienjahren, mit hohen Bewertungen, optimistischer Stimmung und hoher Positionierung der Anleger – insbesondere in den USA – und angesichts der Unsicherheit durch Trumps Handels- und Außenpolitik dürfte es jedoch ein deutlich schwierigeres Bullenjahr mit Rückschlägen, höherer Volatilität und letztlich weniger Potenzial für die Aktienmärkte werden. Dies zeichnet sich nach einem zunächst ruhigen und positiven Jahresauftakt seit Mitte Februar ab.
Starkes erstes Quartal für europäische Aktien und Rohstoffe (Edel- u. Industriemetalle); US-Aktien, Dollar und Euro-Anleihen schwächeln
Konjunktureller Durchhänger in den USA wahrscheinlicher
Die restriktiveren finanziellen Bedingungen zu Beginn des Jahres (höhere Anleiherenditen, stärkerer US-Dollar, höherer Ölpreis), die politische Unsicherheit, die Zölle, die Sparmaßnahmen (DOGE) und die geringere Zuwanderung belasten die US-Wirtschaft. Konsumenten halten sich mit Ausgaben und Unternehmen mit Investitionen zurück. Die US-Wirtschaftsdaten haben zuletzt enttäuscht. Eine vorübergehende Konjunkturschwäche könnte Trump aber entgegenkommen, um die Inflation durch die Zölle nicht weiter anzuheizen, die Fed doch noch zu Zinssenkungen zu bewegen und für niedrigere Anleiherenditen und eine Schwächung des überbewerteten US-Dollar zu sorgen. Das zweite Quartal 2025 dürfte in den USA von hoher wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt bleiben. Allerdings sind die US-Anleiherenditen bereits deutlich gesunken, der US-Dollar hat sich abgeschwächt und die Energiepreise sind gesunken. Diese Lockerung der finanziellen Bedingungen könnte die US-Konjunktur im zweiten Quartal stützen. Eine Rezession bleibt unwahrscheinlich.
Makrodaten: Euroraum überrascht positiv, die USA enttäuschen
Die Überraschungsindizes für die Konjunkturdaten in der Eurozone und den USA zeigen seit Jahresbeginn eine deutliche Divergenz.
Europäische Aktien mittelfristig mit weiterem Potenzial
Die starke Rallye europäischer Aktien wurde zunächst von taktisch agierenden Anlegern getragen. Von einer breiten Rotation von Anlegergeldern weg von den USA hin nach Europa kann bisher bei Weitem keine Rede sein. Die Positionierung globaler Investoren hat sich bislang kaum verändert. Es besteht daher die Chance, dass aus der bisherigen Sentimentrallye eine strukturelle Erholungsrallye wird, wenn globale Investoren tatsächlich beginnen, ihre Positionen in Europa auszubauen. Dazu braucht es aber mehr als Hoffnung. Die Friedensverhandlungen im Russland-Ukraine-Krieg müssen zu einem auch für die Ukraine tragfähigen Ergebnis führen, die Konjunktur in Europa muss sich erholen, die Unternehmensgewinne in Europa müssen deutlicher steigen, und Europa muss geschlossen auftreten und für seine Interessen einstehen, notfalls auch ohne die USA. Die jüngsten politischen Entwicklungen in Deutschland, insbesondere das verabschiedete Infrastrukturpaket sowie die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, lassen in dieser Hinsicht hoffen. Nach der starken relativen Entwicklung seit Jahresbeginn könnte die relative Outperformance Europas allerdings zunächst ins Stocken geraten, zumal Trump auch mit Zöllen gegenüber Europa droht. Deutlichere Rückschläge in Europa dürften von internationalen Investoren aber genutzt werden.
Der Euro und europäische Aktien profitieren, Euro-Anleihen leiden
Der Euro, europäische Anleiherenditen und europäische Aktien legten im ersten Quartal relativ zu ihren US-Peers kräftig zu.
Mittelfristige Inflationsrisiken nicht aus den Augen verlieren
Neben den strukturellen Trends Demografie, Deglobalisierung und Dekarbonisierung sind die nun auch in Europa stärker steigende Staatsverschuldung, Aufrüstung, Infrastrukturinvestitionen, weltweit steigende Zölle und Einwanderungsbeschränkungen in den USA weitere Inflationstreiber. Zudem ist die Inflation vor allem in den USA immer noch zu hoch. All dies bestärkt uns in unserer Erwartung der letzten Jahre einer mittelfristig höheren Inflation und einer erhöhten Inflationsvolatilität. Eine deutliche Beimischung von Sachwertanlagen, insbesondere Rohstoffen, eine Diversifikation, die über Aktien und Anleihen der Industrieländer hinausgeht, die Ergänzung von Absicherungsstrategien und ein verstärktes taktisches Handeln bleiben wichtig.
Trumps politische Börsen dürften längere Beine haben
Anhaltende Volatilität, nachlassende Liquidität und die schlechter werdende Saisonalität sprechen gegen eine offensive Aufstellung. Zudem ist die Anlegerpositionierung noch immer nicht niedrig, trotz schwächerer Stimmung. Wir bleiben aber dabei: 2025 dürfte ein weiteres Bullenjahr werden, wenn auch ein erheblich zäheres. Stärkere Rückschläge dürften Chancen bieten.
Autor

Prof. Dr. Bernd Meyer
Prof. Dr. Bernd Meyer ist seit Oktober 2017 Chefanlagestratege bei Berenberg und dort im Wealth and Asset Management für die diskretionären Multi-Asset-Strategien sowie die Vermögensverwaltungsmandate zuständig. Prof. Dr. Bernd Meyer war zunächst Leiter der Europäischen Aktienstrategie bei der Deutschen Bank in Frankfurt und London und baute ab 2010 als Bereichsleiter das globale Cross Asset Strategy Research bei der Commerzbank auf. Prof. Dr. Meyer wurde mehrfach ausgezeichnet. So rangierte er mit seinem Team beim renommierten Extel Survey in den Jahren 2013 bis 2017 jeweils unter den besten drei Multi Asset Research Teams weltweit. Prof. Dr. Meyer ist DVFA Investment Analyst, CFA-Charterholder und Gastdozent für „Empirische Kapitalmarktforschung“ an der Universität Trier. Er hat zahlreiche Artikel und zwei Bücher veröffentlicht sowie drei wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten.