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Interview mit Kay Eichhorn-Schott

Aktien-Portfoliomanager mit Fokus auf den Gesundheitssektor

Herr Eichhorn-Schott, Sie sind seit über sieben Jahren Portfoliomanager bei Berenberg mit dem Fokus auf Aktien aus dem Gesundheitssektor. Wie sind Sie zu Ihrer heutigen Tätigkeit gekommen?

Ich begann meine Karriere im Jahr 2015 im Traineeprogramm von Berenberg in London. Schon früh kam ich währenddessen mit den Themen Vermögensverwaltung und Portfoliomanagement in Berührung. Damals wurden bereits für einige britische Kunden diskretionäre Aktienmandate mit Fokus Gesundheit gemanagt, und als Trainee durfte ich hier unterstützen. Als ich 2017 in das Ak-tienteam nach Frankfurt wechselte, hatte ich die Chance, diese Mandate hauptverantwortlich zu übernehmen. Das Management der Mandate und meine Tätigkeit als Portfoliomanager in unserem All Cap Team haben sich gut ergänzt, da wir auch in den europäischen und globalen Aktienstrategien zu einem relevanten Teil im Gesundheitssektor engagiert sind.

Was fasziniert Sie als Portfoliomanager besonders am Gesundheitssektor?

Gesundheit ist für uns alle das A&O und schon deshalb lohnt es sich, sich auch mit Investitionen in das Gesundheitswesen zu beschäftigen. Neben der gesellschaftlichen Relevanz faszinieren mich drei weitere Aspekte am Gesundheitssektor: die Komplexität der Geschäftsmodelle, die Diversität des Sektors und die Innovationskraft der Unternehmen.

Der Gesundheitssektor ist aus mehreren Gründen komplexer als andere Sektoren. Die Produkte sind schwerer zu verstehen, und es gibt eine Vielzahl von Akteuren. Hierzu gehören zum Beispiel Patienten, Versicherer, Regulierungsbehörden und Unternehmen. Deshalb glaube ich, dass man als Experte einen spürbaren Mehrwert für Kunden generieren kann. Darüber hinaus ist der Sektor mit seinen Sub-Segmenten Pharma und Biotech, Medizintechnik, Life Science und Gesundheitsdienstleistungen sehr divers und abwechslungsreich. Das macht die Analyse spannend, und man lernt ständig dazu. Schließlich fasziniert mich die Innovationskraft des Sektors. Allein aus persönlichem Interesse ist es faszinierend zu sehen, wie viele Innovationen der Sektor jedes Jahr hervorbringt. Hiervon profitieren Patienten und wir als Gesellschaft. Aus Investorensicht können sich innovative Unternehmen starke Wettbewerbspositionen aufbauen und überdurchschnittliches Wachstum generieren.

Sie sprachen bereits von verschiedenen Subsektoren im Gesundheitssektor. Wie unterscheiden sich diese aus Anlegerperspektive? Welche dieser Subsektoren bevorzugen Sie im aktuellen Umfeld?

Die wichtigsten Subsektoren im Gesundheitswesen sind Pharma, Medizintechnik, Life Science, Biotech und Gesundheitsdienstleistungen.

Viele interessante Unternehmen finden wir in der Medizintechnik. Die Innovationskraft in diesem Segment ist sehr hoch, der Wettbewerb in größeren Endmärkten ist oft auf drei bis vier Unternehmen begrenzt, und das Wachstumsprofil ist attraktiv, da beispielsweise im Gegensatz zu Pharmafirmen keine Patentausläufe kompensiert werden müssen. Auch im Nebenwertesegment finden wir viele Nischenplayer, die in ihren Märkten stark wachsen können und sich gute Wettbewerbspositionen aufgebaut haben. Pharmafirmen hingegen wachsen im Durschnitt langsamer als Unternehmen in anderen Marktsegmenten. Das liegt vor allem an der Größe dieser Unternehmen und am starken Wettbewerb. Unternehmen wie Eli Lilly, Novo Nordisk oder AstraZeneca ist es aber dennoch in den letzten Jahren gelungen, attraktive Wachstumsraten zu erzielen und für ihre Aktionäre deutliche Wertsteigerungen zu erwirtschaften.

Wie hat sich der Sektor im letzten Jahr entwickelt, und was macht ihn gerade aktuell interessant für Anleger?

Der globale Gesundheitssektor konnte im zurückliegenden Jahr eine positive Rendite erzielen, hinkte aber dem breiten Aktienmarkt hinterher. Interessant ist, dass die Schere in der Performance erst im vierten Quartal aufging. Im Vorfeld der US-Wahlen und in Antizipation einer erneuten Präsidentschaft von Donald Trump waren eher zyklische Marktsegmente bei Investoren gesucht, steigende Zinsen wirkten als Gegenwind und vor allem die Nominierung von Robert F. Kennedy Jr. als Gesundheitsminister sorgte für eine starke Verunsicherung unter Anlegern in dem Sektor.

Diese starken Bewegungen im vierten Quartal 2024 – ein steigender Aktienmarkt und fallende Kurse von Gesundheitsaktien – sorgten dafür, dass der Sektor heute mit der günstigsten Bewertung relativ zum Gesamtmarkt seit 20 Jahren handelt. Die fundamentalen Trends im Gesundheitssektor sind solide, und unserer Meinung nach sind einige politische Ängste übertrieben. Umfragen unter Fondsmanagern zeigen außerdem, dass die Investorenpositionierung im Sektor auch historisch gering ist. Dies ist eine gute Ausgangslage für eine positive Wertentwicklung in diesem Jahr.

Welche langfristigen Trends sehen Sie im Gesundheitssektor, und wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Chancen für Investoren in den kommenden Jahren? Gibt es aktuelle Entwicklungen oder Trends im Gesundheitssektor, die Investoren derzeit noch übersehen?

Die großen Trends im Sektor sind wohlbekannt: Die Alterung der Gesellschaft schreitet voran und treibt die Nachfrageseite, und ein steigender Wohlstand in Entwicklungsländern führte historisch zumeist zu größeren Gesundheitsausgaben relativ zur Wirtschaftsleistung. Unter der Oberfläche beobachten wir in der Industrie aber noch viel spannendere Trends, von denen Patienten, Unternehmen und auch Aktionäre profitieren können. So stellen wir beispielsweise in der Pharmaindustrie fest, dass immer mehr biologische Medikamente klassische chemische Präparate ablösen, da sie zielgerichteter wirken und weniger Nebenwirkungen hervorrufen. Innovation findet zunehmend in kleineren, digitalen Unternehmen statt, welche mehr als große Pharmafirmen von externen Dienstleistungsanbietern wie zum Beispiel Auftragsherstellern abhängig sind. Aber auch große Pharmafirmen lagern einen immer größer werdenden Teil der Wertschöpfungskette aus. Der Gesundheitssektor ist hier im Vergleich zu anderen Sektoren wie z. B. der Automobilbranche noch in der Anfangsphase. In der Medizintechnik befinden wir uns unserer Meinung nach auch in einer aufregenden Phase. Die roboterunterstützte Chirurgie setzt sich vermehrt durch, und immer mehr Operationen werden mit minimalinvasiven Techniken durchgeführt. Außerdem ändern sich langsam, aber stetig die Vergütungssysteme, vor allem in den USA. Wir beobachten, dass die Vergütung von Gesundheitsdienstleistungen immer mehr vom Behandlungserfolg abhängig gemacht wird.

Sie managen den Berenberg Health Focus Fund. Was ist das Besondere an diesem Fonds, und wie unterscheidet er sich von Fonds der Mitbewerber?

Mit dem Berenberg Health Focus Fund agieren wir aktiver als Wettbewerber. Viele etablierte Sektorfonds orientieren sich sehr stark an der Benchmark. Wir setzen uns durch unseren Investmentprozess und die aktive Einzeltitelselektion von anderen ab. Im Fonds selektieren wir 35-50 Titel und sind somit deutlich konzentrierter als die meisten unserer Wettbewerber. Darüber hinaus haben wir einen stärkeren Fokus auf Wachstum. Wir selektieren Unternehmen, welche mittel- und langfristig ein deutlich überdurchschnittliches Wachstum generieren können. Unternehmen, die nicht attraktiv wachsen, sind für uns wenig interessant. Wir suchen deshalb auch Opportunitäten im Nebenwertesegment, da es dort viele Nischenplayer mit starken Wachstumsaussichten gibt. Zu guter Letzt investieren wir nicht in defizitäre und hochriskante Geschäftsmodelle. Aus diesem Grund finden kleine Biotech-Unternehmen keine große Berücksichtigung in dem Fonds. Letztlich ist es unser Ziel, in unserem Gesundheitsfonds in Unternehmen zu investieren, die von den zuvor schon diskutierten „Mikrotrends“ im Gesundheitssektor profitieren und dabei eine starke Marktstellung genießen. Wir sind optimistisch, dass diese Unternehmen ein langfristig attraktives und nachhaltiges Wachstum erwirtschaften können.

Unser Interviewgast

Kay Eichhorn-Schott
Portfoliomanager