Auf den Punkt
Sichere Staatspapiere mit regional unterschiedlichen Aussichten, deutsche Bundesanleihen gewinnen an Attraktivität.
Europäische Unternehmensanleihen bleiben interessant, besonders im ertragsstarken Finanzsektor.
Schwellenländeranleihen profitieren von Hoffnung auf Frieden in der Ukraine und auf chinesische Konjunkturerholung.
Globaler Wellengang, Stabilitätsanker EZB
Im Wirbel von Regierungswechseln (USA, Deutschland), zunehmendem Protektionismus, geopolitischen Neuausrichtungen und steigenden Verteidigungsbudgets erwies sich im bisherigen Jahresverlauf zumindest einer als verlässlich: der Leitzinstrend der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie hat im März einen weiteren Senkungsschritt von 25 Basispunkten vorgenommen. Dieser hilft dem Anleihemarkt zwar im Allgemeinen, einzelne Rentensegmente werden jedoch von jeweils unterschiedlichen Faktoren bewegt. Wie blicken wir auf die kommenden Monate?
Sichere Staatsanleihen: Deutschland und UK wieder attraktiver
Im Jahr 2024 war mit Staatsanleihen hoher und höchster Bonität nichts zu holen, dafür hat sich das Bild im ersten Quartal 2025 zumindest für US Treasuries aufgehellt. Sie legten vor dem Hintergrund des nachlassenden US-Konjunkturoptimismus zu. Dass diese Entwicklung anhalten wird, ist fraglich, denn höhere Zölle, Lohndruck durch die Ausweisung von Migranten und steigende Staatsverschuldung sprechen mittelfristig für wieder steigende US-Renditen. Auch ist angesichts der Inflation, die aus den genannten Gründen deutlich über der Zielmarke der Fed verharren sollte, der geldpolitische Spielraum für die amerikanische Notenbank gering. Unsere Volkswirte rechnen für den Rest des Jahres mit einem unveränderten US-Leitzinsniveau. In der Eurozone dagegen dürften u. a. rückläufige Energiepreise der EZB eine weitere Zinssenkung von 25 Basispunkten im Juni erlauben. Zudem hat die Aussicht auf zusätzliche schuldenfinanzierte Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben die Rendite deutscher Bundesanleihen zuletzt deutlich ansteigen lassen. Im Gegensatz zu US Treasuries sehen wir hier ebenso wie für britische Gilts positives Ertragspotential bis Jahresende. Auch auf dem Markt für sichere Staatsanleihen gilt also: Der Ausblick für Anlagen in Europa hat sich aufgehellt.
Prognosen: Leitzinsen und Staatsanleiherenditen (in %)
Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zum Jahresende 2025 und zur Jahresmitte 2026
Sichere Staatsanleihen: Bundesanleihen können sich lohnen
Vergangene und erwartete Wertentwicklung 10-jähriger Staatsanleihen, Gesamteffekt aus Rendite-/Kursveränderung, Kuponertrag und Roll-down-Effekt
Unternehmensanleihen: Solid as a rock
Unternehmensanleihen bleiben der Fels in der Brandung. Weder der vorangegangene starke Rückgang der Risikoprämien noch die anhaltende US-Zolldiskussion haben bisher zu einem nachhaltigen Anstieg der Risikoaufschläge in diesem Segment geführt. Bei Bundrenditen von durchschnittlich 2,6 % bleiben Unternehmensanleihen im Investment Grade- und Hochzinssegment für Renditekäufer weiterhin interessant. Zumal ihre laufende Verzinsung zum Teil deutlich über der deutschen Inflationsrate von zuletzt 2,3 % liegt und sie somit weiterhin einen realen Mehrwert bieten. Angesichts der niedrigen Risikoprämien ist jedoch eine Marktkorrektur wahrscheinlicher geworden. Diese dürfte allerdings nur von kurzer Dauer sein, da technische Faktoren, wie z. B. anhaltende Mittelzuflüsse in Investmentfonds aus diesem Segment, eine stabile Nachfrage nach sich ziehen sollten. Zudem könnte die Geldpolitik der EZB dafür sorgen, dass die relative Attraktivität von Unternehmensanleihen gegenüber Tages- und Termingeldern zunimmt und zusätzliche Käuferschichten anspricht. Unterhalb der Oberfläche präferieren wir unverändert Finanzanleihen gegenüber Industrieanleihen. Uns gefällt deren solide Kapitalausstattung und wiedererstarkte Ertragskraft bei gleichzeitig höherer Verzinsung und besserer Kreditqualität.
Unternehmensanleihen bieten stabil positive Realverzinsung
Renditen von Euro Investment Grade (IG) Unternehmens- und Hochzinsanleihen bieten nach Abzug der erwarteten deutschen Inflationsrate einen Mehrwert
Schwellenländeranleihen: Chinesische Konjunkturerholung stützt
Im Fokus der Märkte für Schwellenländeranleihen stehen die Unsicherheit über die protektionistischen Maßnahmen der neuen US-Regierung sowie die zunehmenden Bemühungen um eine Friedenslösung für die Ukraine. Während die Zolldrohungen die Märkte in Atem halten und zu stärkeren Preisschwankungen führen, könnte eine potenzielle Friedenslösung ein positiver Katalysator für die Schwellenländer, insbesondere in Osteuropa, werden. Ob und unter welchen Bedingungen es dazu kommt, bleibt abzuwarten. Gleichwohl ist bereits der Beginn entsprechender Gespräche für den Markt positiv. So könnten osteuropäische Währungen – darunter der polnische Zloty, der ungarische Forint und die tschechische Krone – insbesondere von der Erwartung fallender Energiepreise weiter profitieren. Auf dem asiatischen Kontinent steht China im Fokus. Das Land, das seit Jahren mit strukturellen wirtschaftlichen Problemen kämpft, konnte seine Widerstandsfähigkeit zuletzt nicht nur durch DeepSeek unter Beweis stellen – auch wirtschaftliche Daten wie die Kreditvergabe geben zuletzt Hoffnung auf eine gewisse Bodenbildung. Die Aktieninvestoren waren bereits vorausgeeilt und hatten dem Hang Seng-Index die weltweit stärkste Aktienmarktperformance seit Jahresbeginn beschert. Eine stärkere Konjunktur in China war bislang stets ein Segen für die Weltwirtschaft – insbesondere für Schwellenländer, die typischerweise ein hohes Handelsvolumen mit China aufweisen. Der daraus resultierende Rückenwind sollte mittelfristig unterstützend für alle Assetklassen aus Schwellenländern wirken und somit auch den Anleihesektor stützen.
Kreditvergabe stützt Risikoprämien für Schwellenländeranleihen
Eine Erholung der chinesischen Kreditvergabe (rechts) sollte ¬- wie bis zur Covid-Pandemie - zu engeren Spreads in Schwellenländeranleihen führen
Fazit: Chancen in allen betrachteten Segmenten
Sichere Staatsanleihen stehen im Kontext geopolitischer Einflüsse unter dem Bann zunehmender Staatsverschuldung, die sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks zunächst ein bedeutender Faktor bleiben dürfte. Angesichts der bereits erfolgten Marktreaktion haben sich die weiteren Aussichten für deutsche Bundesanleihen insofern verbessert – sie bieten interessantere Perspektiven als US-Staatspapiere. Für Euro-Unternehmensanleihen gilt unverändert, dass sie mit Blick auf ihre Renditeniveaus attraktive Möglichkeiten bieten, insbesondere unter Berücksichtigung der (niedrigeren) Inflationsrate – die erwartete Geldentwertung kann mehr als kompensiert werden. Innerhalb des Segments favorisieren wir Titel aus dem Finanzsektor. Im Bereich der Schwellenländer bieten osteuropäische Emittenten vor dem Hintergrund einer möglichen Ukraine-Friedenslösung Chancen, besonders in lokaler Währung. In Asien macht darüber hinaus Hoffnung, dass Chinas Konjunktur erstarken könnte und damit auch über den Handel mit China verbundene Schwellenländer neuen Schwung erfahren.
Autoren

Martin Mayer
Bei Berenberg ist er seit November 2009 als Senior Portfoliomanager mitverantwortlich für die Renten- und Stiftungsstrategie der privaten Vermögensverwaltung sowie für individuelle Multi Asset-Spezialmandate mit defensivem Schwerpunkt. Nach seiner Ausbildung zum Betriebswirt (Wirtschaftsakademie) und seinem Studium zum Dipl.-Volkswirt (Universität Hamburg) trat er 1998 in die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank ein. Dort betreute er bis 2008 individuelle Kundenportfolios für das Private Wealth Management und absolvierte 2001/2002 eine Weiterbildung zum CEFA-Investmentanalysten/DVFA. Im Sommer 2008 wechselte Mayer zur HSH Nordbank und fungierte dort als stellvertretender Leiter des Portfoliomanagements.

Felix Stern
Felix Stern begann vor mehr als 18 Jahren bei Berenberg im Asset Management als Portfoliomanager Renten. Heute leitet der Senior Portfoliomanager das Team Fixed Income Selection und ist verantwortlich für die Auswahl von Unternehmens- und Finanzanleihen sowie als Spezialist für die Selektion kurzfristiger Anleihen. Darüber hinaus ist er hauptverantwortlicher Portfoliomanager für mehrere institutionelle Publikumsfonds aus dem Hause Berenberg. Der gelernte Industriekaufmann wechselte nach mehrjähriger Tätigkeit im Bereich Market Research der British American Tobacco (Germany) GmbH Anfang 2000 in den Bereich des Fixed Income-Portfoliomanagements. Der Diplom-Kaufmann in Wirtschaftswissenschaften absolvierte sein Studium berufsbegleitend an der Fernuniversität in Hagen und erwarb zudem einen Abschluss als CCrA - Certified Credit Analyst (DFVA).

Wei Lon Sung
Wei Lon Sung war seit 2018 im Portfoliomanagement Renten bei der Deka Investment tätig, mit einem Schwerpunkt auf Emerging Markets. Seit 2023 verstärkt er Berenberg und bringt seine Expertise in der fundamentalen Selektion von Schwellenländeranleihen in Lokal- und Hartwährungen ein. Er hat einen Bachelor und Master of Science in Mathematik der Goethe Universität Frankfurt.