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Make Europe great again

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das zweite Quartal 2025.

Auf den Punkt

  • Nach der starken Outperformance von Europa, die fundamental und bewertungstechnisch gerechtfertigt war, haben wir vorerst keine regionale Präferenz.

  • Europa ist immer noch günstig bewertet, allerdings erfährt die USA nun Rückenwind durch einen schwächeren US-Dollar sowie eine Einengung der Zinsdifferenz gegenüber Europa. EM-Aktien bleiben als Beimischung attraktiv

Stark, stärker, Europa

Wie von uns vermutet, waren die Positionierung und der Konsens für US-Aktien nach der Trump-Wahl zu einseitig positiv. Im ersten Quartal kam es zu einer deutlichen Gegenbewegung: Europa entwickelte sich in Euro mehr als 17 Prozentpunkte besser als die USA. Während es in Europa zuletzt positive Gewinnrevisionen gab, sahen US-Unternehmen im Aggregat negative Gewinnrevisionen. Vieles deutet auf eine Verlangsamung des US-Wachstums im Frühjahr hin. Die Rallye war also fundamental gerechtfertigt und wurde durch die relativ extreme Positionierung der Anleger begünstigt, die sich auch in den relativen Bewertungen niederschlug. Aber nicht nur die USA, sondern auch andere Regionen wie Japan mussten zuletzt Federn lassen. Etwas überraschend ist, dass europäische Nebenwerte bislang kaum von dem Stimmungsumschwung profitieren konnten, was wohl vor allem an den bislang ausgebliebenen Mittelzuflüssen in diesem Bereich liegen dürfte.

Historisches Quartal: Dax bisher im ersten Quartal mehr als 20 Prozentpunkte besser als der S&P 500 in Euro

Zeitraum: 17.03.2020–17.03.2025
Quelle: Bloomberg * KBV = Kurs-Buchwert-Verhältnis; Div. = Dividendenrendite (%); KGV = Kurs-Gewinn-Verhältnis. Werte basieren auf Schätzungen für die nächsten 12 Monate.

Kann Europas Outperformance weitergehen?

Ausländische Investoren haben bisher kaum an der Erholungsrallye teilgenommen. Die Bank of America schätzt auf Basis von Fondsflüssen, dass von den Mittelabflüssen seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine nur 4 % nach Europa zurückgeflossen sind. Das Interesse an Europa in Asien ist laut Brokern nach wie vor gering. Der Bewertungsabschlag auf KGV-Basis zwischen Europa und den USA beträgt immer noch mehr als 30 %. Sollten die Investoren also nachhaltig an eine Wende zum Besseren in Europa glauben, dürfte aus der Sentimentrallye eine strukturelle Aufholjagd werden. Ironischerweise dürfte Donald Trump einen großen Anteil daran haben – zwingt er doch Europa zu mehr Eigenständigkeit und Investitionen. Erinnern wir uns: In den letzten fünfzehn Jahren schwankte die Haushaltspolitik in Europa zwischen Sparmaßnahmen und Staatsausgaben, die sich hauptsächlich auf soziale oder ökologische Ziele konzentrierten – beides trug zum Verlust der globalen Wettbewerbsfähigkeit bei. Unzureichende Investitionen, belastende Regulierungen, eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung, eine schwache Produktivität und in jüngster Zeit steigende Energiepreise haben diese Probleme noch verschärft. In der Folge hat sich das Narrativ verbreitet, dass Europa im Gegensatz zu den dynamischen USA mit besserer Demografie und fiskalischer Unterstützung kaum wachsen kann. Das gigantische Aufrüstungs- und Investitionspaket, das Deutschland beschlossen hat, dürfte das nun ändern. Nicht nur, weil es zu mehr Wachstum und steigenden Gewinnen bei vielen Unternehmen führen dürfte, sondern auch, weil es zu einem Stimmungsumschwung und damit zu Kapitalzuflüssen nach Europa führen könnte. Börse ist schließlich Psychologie. Ein Großteil der US-Outperformance der letzten Jahre ist auch auf eine Bewertungsausweitung (also Psychologie) zurückzuführen, Stichwort US-Exzeptionalismus. Die jüngste Underperformance hat auch damit zu tun, dass Trump – wie so oft bei neuen Präsidenten – mit unangenehmen, wachstumsschädlichen Maßnahmen begonnen hat: Sparmaßnahmen, weniger Einwanderung und Zölle. Wachstumsfördernde Maßnahmen wie Deregulierung und (eine Verlängerung der) Steuersenkungen dürften erst später folgen.

Neutrale regionale Aufstellung Richtung Q2

Ob sich Europa also weiter besser als der Rest der Welt entwickeln kann, dürfte von den weiteren Taten der Politik und der Wahrnehmung im Ausland abhängen. Zudem dürften andere Regionen wie die USA, die seit Jahresanfang in Euro gerechnet sogar negativ sind, sich zumindest absolut besser entwickeln. Die sich abzeichnende US-Wachstumsschwäche ist teilweise schon eingepreist, und Richtung zweites Halbjahr dürfte es wieder besser aussehen. Zumal der relative Rückenwind der europäischen Unternehmen durch niedrigere Zinsen und einen schwachen Euro zuletzt deutlich nachgelassen hat. Schwellenländeraktien haben wir zuletzt aufgestockt, da mit der Ankündigung von DeepSeek das Interesse an unterbewerteten asiatischen Technologieunternehmen gestiegen ist. Zudem hat China, ähnlich wie Europa, deutliche Konjunkturmaßnahmen beschlossen – auch als Reaktion auf die US-Zölle. Vor diesem Hintergrund fühlen wir uns vorerst mit einer neutralen geografischen Positionierung wohl. Die Volatilität dürfte aufgrund der großen makroökonomischen Verschiebungen und des Temperaments von Donald Trump hoch bleiben und Chancen bieten.

Bricht die US-Dominanz der letzten 20 Jahre?

Entwicklung handelsgewichter US-Dollar und relative Performance von MSCI USA gegenüber MSCI AC ex USA, normalisiert: 1.1.1988 = 1

Zeitraum: 01.01.1988–17.03.2025
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen

Prognoseübersicht: Aufwärtspotenzial bis zum Jahresende

Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zum Jahresende 2025 und zur Jahresmitte 2026

Durchschnitt, Konsensus Bottom-up per 17.03.2025.
Quelle: Bloomberg, Factset, Berenberg

Was die Unternehmen bewegt

Politik und KI sorgen für Unsicherheit

In unseren Gesprächen mit Unternehmen haben im vergangenen Quartal vor allem die Themen Orderbücher, KI und Politik dominiert. Aufgrund der aktuell sehr dynamischen US-Politik rund um das Thema Zölle beobachten wir branchenübergreifend eine zunehmende Unsicherheit und Zurückhaltung der Unternehmen. In der Industrie haben sich in den letzten Monaten die Lagerbestände weiter normalisiert. Besonders im Bereich der Automatisierung beobachten wir aktuell eine Bodenbildung, welche in einen neuen Aufschwung münden sollte. Industrieunternehmen mit Bezug zu Datenzentren melden zwar weiterhin gute Wachstumszahlen, enttäuschten jedoch beim Ausblick und den Auftragseingängen. Auch die Technologieunternehmen enttäuschten relativ zur Stärke in den Vorquartalen und die Magnitude der positiven Überraschung beim Ergebnis ging deutlich zurück. Nachrichten rund um DeepSeek sorgten bei Halbleiterherstellern für große Verunsicherung, während viele Softwarefirmen durch potenziell geringere Anwendungskosten davon profitieren sollten. Abseits davon konnten Firmen im Luxussegment, getrieben durch das Konsumklima in den USA, positiv überraschen. Eine deutliche Erholung der Endmärkte benötigt aber wohl mehr Zeit. Im Gesundheitssektor beobachten wir bei Life Science nach schwierigen Jahren steigende Auftragszahlen und eine Erholung der Endmärkte.

Matthias Born, CIO Aktien

Autor

Urbahn Ulrich
Ulrich Urbahn
Leiter Multi Asset Strategy & Research